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Die Coronakrise hat viele KMU zur verstärkten Digitalisierung gezwungen. Plötzlich galt es in vielen Unternehmen, das Personal auch aus der Ferne zu führen. Doch wie gelingt digitale Führung auf Distanz im Maler- und im Gipsergewerbe und welche Führungs- und Kommunikationsinstrumente sind empfehlenswert?
von Bernhard Bircher-Suits
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Das Verständnis von Führung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert – auch in der Baubranche. Zwar finden sich in Bauunternehmen immer noch Vorgesetzte, die im Befehlston anordnen, welche Tätigkeit welcher Mitarbeiter zu erledigen hat.
Es ist nach wie vor üblich, dass der Kunde seinen Auftrag beim Unternehmer platziert und der Chef diesen in Form von Anweisungen an die Mitarbeitenden weitergibt. Doch autoritäre Patriarchen sind in Zeiten des Fachkräftemangels und von Arbeitgeber-Bewertungsplattformen wie Kununu oder Glassdoor ein Auslaufmodell. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung findet besonders bei der Generation Y – auch Digital Natives genannt – eine Veränderung des Arbeitsverständnisses statt.
Zur Generation Y gehören Frauen und Männer, die zwischen 1980 und 1995 geboren worden sind. Sie sind bestens vertraut mit Internet, Smartphones sowie Social Media und sind es gewohnt, Informationen rasch zu erhalten, zu verarbeiten und weiterzugeben.
Digital Natives fordern neue Art
Die Generation Y will mitgestalten und Verantwortung übernehmen. Charakteristisch ist ihre Flexibilität, von überall her arbeiten zu können. Ihre Loyalität ist weniger auf den Arbeitgeber, sondern vielmehr auf spannende Aufgaben und Projekte ausgerichtet. Führung bedeutet im digitalen Zeitalter daher nicht mehr, nur Anweisungen zu geben und deren Erfüllung zu überwachen. Die wesentlichen Herausforderungen für moderne Führungskräfte bestehen darin, Mitarbeitende mit einem eher partizipativen oder kooperativen Stil digital und persönlich zu führen und mit ihnen off- und online auf «Augenhöhe» zu kommunizieren.
Nicht alles auf der Baustelle
Selbstverständlich kann man einen Handwerksbetrieb nicht mit einem Dienstleister zum Beispiel aus dem Treuhand- oder Immobilienbereich vergleichen. Die Maler und Gipser-Trockenbauer erbringen ihre Dienstleistungen vor Ort beim Kunden. Doch der Rest, die Administration, können die Mitarbeitenden auch von zu Hause aus oder unterwegs im öffentlichen Verkehr erledigen.
Willms Buhse, deutscher Experte für digitale Führung und Transformation, hat das sogenannte Vopa+ Modell als Leitbild für Führungskräfte im digitalen Zeitalter entwickelt. Es soll Führungskräften dabei helfen, Mitarbeitende aus der Ferne zu führen sowie eine Kultur zu schaffen, welche die Leistung steigert und Innovationsprozesse ermöglicht.
Vopa+ steht für Vernetzung, Offenheit, Partizipation, Agilität und als Plus steht Vertrauen, wobei die Vertrauenskultur im Zentrum steht. Eine solche in Unternehmen zu schaffen heisst, Vertrauen in die fachlichen und sozialen Fähigkeiten der Mitarbeitenden zu haben und ihnen die Möglichkeit zur Selbststeuerung und -verantwortung zu geben. Offenheit bedeutet, den Wissensaustausch zu fördern und Informationen allgemein zugänglich zu machen. Partizipation heisst, kollektives Wissen anhand von konstruktiven, motivierenden und hierarchiefreien Formen des Austausches unter Einbezug möglichst vieler Personen zu nutzen – sei es in Form von Präsenzworkshops oder virtuellen Workshops. Das wesentliche Merkmal von Agilität ist es, sich schnell an ein sich permanent änderndes Umfeld anpassen zu können und aus den gemachten Erfahrungen zu lernen.
40 Prozent stehen erst am Anfang
Viele Unternehmen sind aber noch nicht bereit für einen digitalen Führungswandel. Gemäss einer Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) mit 1144 Teilnehmenden stehen 40 Prozent der Schweizer Firmen noch ganz am Anfang der digitalen Transformation. Die grössten Barrieren bei der Einführung digitaler Führungs- und Kommunikationsinstrumente sind das fehlende Wissen (42 %), bestehende, teilweise starre Führungs- und Organisationsstrukturen (41%) und Konflikte mit anderen Unternehmensprioritäten (35%). Besonders zu Beginn der Coronakrise bremsten fehlendes IT-Wissen und veraltete Führungsinstrumente viele KMU aus: Traditionell arbeitende Vorgesetzte mussten von heute auf morgen aus der Ferne Mitarbeitende mit nicht erprobten und wenig bekannten Videokonferenztools wie Zoom, Slack usw. «führen». Vor allem in Kleinunternehmen war das oft ein Blindflug in Bezug auf Datensicherheit, Datenschutz und Mitarbeiterführung.
Handwerker keine Digitalexperten
Bei der Ehrat AG in Dietikon ZH hat die Coronakrise für einen Digitalisierungsschub gesorgt. Remo Quirici ist Geschäftsleiter und Teilhaber des Gipser- und Maler-Betriebs mit rund 40 Mitarbeitenden. Der Malermeister sagt: «Seit Ausbruch der Coronakrise kommunizieren wir noch intensiver als früher über WhatsApp oder mithilfe des Chat-Diensts Facetime. Dabei geht es meist um die konkrete Problemlösung.»
Ein Mitarbeitender zeige dem Vorgesetzten das Problem per Smartphone- Kamera und man bespreche dann das weitere Vorgehen. Handwerker seien aber «keine EDV-Experten». Videokonferenzen mit Arbeitsgruppen oder rein virtuelle Kadertreffen gebe es bei der Ehrat AG noch nicht, sagt Quirici. Er möchte digitale Lösungen aber fest im Arbeitsalltag seiner Mitarbeitenden integrieren. Er sagt: «Nach der Coronakrise werden wir gemeinsam ein Konzept für die Nutzung von digitalen Kommunikationsmitteln erarbeiten und die sinnvollsten Tools in den Berufsalltag einbauen.»
Marc Hunziker, Malermeister und Geschäftsleiter der Armin Hunziker AG in Zürich, sagt: «Wir nutzen für die digitale Führung WhatsApp und Videokonferenzen. Mit der bezahlpflichtigen App Goodnotes erstellen wir zudem digitale Aufnahmen von Projekten.»
Wegfallender Reiseaufwand
Der Geschäftsleiter sieht als Vorteile dieser Tools «das hohe Tempo für zeitnahe Entscheidungsfindungen und den wegfallenden Reiseaufwand für Führungskräfte». Und für Videokonferenzen brauche es unbedingt eine Traktandenliste und Sitzungsleitung. «Auch für das Teilen und Speichern von Bildern und Filmen müssen klare Regeln fest- gelegt werden.» Ein Problem sieht Hunziker bei der mangelnden Vertraulichkeit von WhatsApp- und Videotools. Sein Fazit: «Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch zielführend.»
Die Unternehmensleitung sollte bei der Auswahl der digitalen Führungs- und Kommunikationstools (Tabelle Seite 15) sicherstellen, dass diese den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und keine arbeitsrechtlichen Vorschriften missachtet werden. Eine koordinierte Führung ist zudem nur möglich, wenn alle Mitarbeitenden mit denselben Programmen und Plattformen arbeiten.
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Coronakrise bringt weiter
Einen Technologie-Wildwuchs gilt es zu vermeiden und schriftliche Regeln im Umgang mit digitalen Medien sind ein Muss. Nicht alles, was technisch funktioniert und zudem noch kostenlos ist, ist aus Unternehmenssicht auch empfehlenswert. Besonders bei «Gratis»-Tools gilt es, Vorsicht walten zu lassen. Die Nutzer «bezahlen» für die Nutzung oft mit persönlichen Daten.
Experte Willms Buhse mahnt in einem Interview: «Die Führungskräfte müssen sich über den Austausch von sensiblen Daten Gedanken gemacht haben und das Team sollte über ein gemeinsames Projektmanagement-Tool verfügen.» Der Teamleiter müsse alle diese Dienste nicht nur selbst nutzen, sondern auch verstehen. Jeder Betrieb ist gut beraten, die digitalen Weichen nach der Coronakrise nun «richtig» zu stellen und das Führungspersonal entsprechend zu schulen.
So meistern Vorgesetzte digitale Führung auf Distanz
Technische Infrastruktur
Führungskräfte sind dafür verantwortlich, dass ihre Mitarbeitenden die passende und funktionierende Technik und Infrastruktur zur Verfügung haben und die nötigen Geräte auch einsatzbereit sind. Bei technischen Problemen sollte es eine Notfallnummer beziehungsweise eine Supportstelle geben.
Software für Fernzugriff
Remote-Desktop-Software bietet Führungskräften wie auch Mitarbeitenden eine Möglichkeit, auf den Bürocomputer im Unternehmen zuzugreifen. Zu den kostenlosen Ferndesktop-Anwendungen gehören beispielsweise Windows Remote Desktop, die Bildschirmfreigabe in Mac OS X und Googles Chrome Remote Desktop. Alle Fernprogramme bergen immer auch Sicherheitsprobleme.
Tools und Sitzungen definieren
Definieren Sie, wann und wie oft das gesamte Team zusammenkommt und welche Kommunikationstools im Unternehmen erlaubt sind. In Krisenzeiten und während wichtiger Projekte mit Zeitdruck ist eine proaktive, regelmässige Kommunikation und Unterstützung durch Führungskräfte besonders gefragt.
Agenda setzen
Auch eine virtuelle Sitzung sollte eine klare Struktur mit Agenda haben. Fordern Sie vorgängig von Teilnehmenden Traktanden zur Besprechung ein.
Örtlichkeit
Die Vorgesetzten wie auch die Mitarbeitenden sollten für virtuelle Treffen jeweils eine passende, ruhige Umgebung aufsuchen und vorgängig sicherstellen, dass die Technik einwandfrei funktioniert und bei Bedarf Vertraulichkeit gewährleistet werden kann.
Morgenmeeting
Vor Beginn eines Arbeitstags kann ein 5 -minütiger Videocall die Mitarbeitenden auf die neuen Aufgaben einstimmen. Im Rahmen eines Einzel- oder Gruppengesprächs kann die Führungskraft die Mitarbeitenden an die gemeinsamen Ziele erinnern und sich mit ihnen über die anstehenden Herausforderungen und Aufgabenverteilung abstimmen. Wichtig: Erfolgserlebnisse austauschen und die Kritik konstruktiv anbringen.
Tipps bei Videokonferenzen
Beginnen Sie Videokonferenzen mit einem kurzen Ritual aus Fragen und persönlichen Neuigkeiten. Für Videocalls aktivieren Teilnehmende nach Möglichkeit die Kamera. So werden Emotionen, Körpersprache und Mimik besser erkennbar und alle müssen «professionell» auftreten. Nur wer spricht, lässt sein Mikrofon an, alle anderen schalten auf stumm.
Dieser Artikel ist in der Applica 19/07/2021 erschienen
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