Betrug: So erkennen Sie Finanzschwindler
Wenn die Rendite zu gut aussieht, um wahr zu sein, dann ist sie es
wahrscheinlich auch nicht: Das sind die gängigsten Maschen von
Finanzbetrügern, und so schützt man sich davor.
Bernhard Bircher-Suits
14.03.2022, 05.30 Uhr
Die Zeiten für Betrüger sind im gegenwärtigen Tiefzinsumfeld rosig. Anleger wie auch Normalbürger erhalten immer wieder unseriöse Angebote per Telefon, SMS, Post oder E-Mail – von selbsternannten «Finanzexperten». Ihre bevorzugte Masche: Sie ködern potenzielle Investoren mit dem Versprechen einer Toprendite bei Investitionen in Aktien, Devisen, Kryptowährungen, Edelmetallen, Edelhölzern, Fonds oder Immobilien.
Die Website CryptoChargeback.org gibt zum Beispiel vor, von Krypto-Börsen Betrogenen zu helfen, ihr Geld wiederzuerlangen. Nachdem man bezahlt hat, hört man von der Firma gemäss Warnliste des Konsumentenmagazins «K-Tipp» «nie wieder etwas».
Warnliste der Finma konsultieren
Gelegentlich sind auch Kryptowährungen angeblich nur zeitlich befristet erhältlich – man müsse rasch zuschlagen. Der Zweck solcher bei Betrügern beliebten Zeitlimiten: Ein Anleger soll keine Zeit für eine kritische Durchleuchtung des «tollen» Angebots erhalten. Wer mit Finanzfirmen in Kontakt kommt, sollte immer zuerst ihren Handelsregister-Eintrag unter www.zefix.ch prüfen. Ist die Firma nicht im Handelsregister, sollten bereits die Alarmglocken läuten.
Ist das Unternehmen im Handelsregister eingetragen, der Firmenname wurde aber mehrmals geändert oder die Zeichnungsberechtigten haben oft gewechselt, sind das weitere Alarmsignale. Danach gilt es, zu prüfen, ob das Unternehmen überhaupt eine Bewilligung für den Vertrieb von Finanzprodukten hat.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) führt eine Warnliste mit Unternehmen, die möglicherweise ohne Bewilligung eine Tätigkeit ausüben, bewilligungspflichtig sind und unter die Aufsicht der Finma fallen. Ein Eintrag in der Warnliste bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die vom aufgeführten Unternehmen ausgeübte Aktivität illegal ist. Die Liste umfasst gegenwärtig rund 1150 Firmennamen. Hat ein Finanzunternehmen keine Finma-Bewilligung, ist erhöhte Vorsicht angebracht.
Aber auch bei Finanzinstituten mit Finma-Bewilligung kann Geld verlorengehen. Denn nicht jede Gesellschaft, die der Finma unterstellt ist, wird intensiv und laufend überwacht. In Diskussionsforen sollte man zudem Erfahrungen von anderen Kunden nachlesen und nach allfälligen Warngeschichten in den Medien mithilfe einer Suchmaschine suchen.
Hilfreich sind auch Warnlisten auf der Website der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (Iosco), eines Gremiums, das die Wertpapieraufsichtsbehörden der Welt zusammenbringt und als globaler Standardsetzer für den Wertpapiersektor anerkannt ist. Die Iosco entwickelt, implementiert und fördert die Einhaltung international anerkannter Standards für die Wertpapierregulierung.
Viel zu hohe Renditen versprochen – Anleger verloren Millionen
Was Anlagebetrüger meist verbindet: Sie versprechen Traumrenditen. Doch sehr hohe Renditen sind immer ein Zeichen für hohe Anlagerisiken oder schlicht Betrug. Das zeigt auch der Fall Ulrich Engler. Der deutsche Staubsaugervertreter zog mit Renditeversprechen von bis zu 72 Prozent pro Jahr rund 5000 Anleger über den Tisch, darunter auch viele Schweizer.
Die schriftlich garantierten Superrenditen waren zu schön, um wahr zu sein – die Schadenssumme lag bei 500 Millionen Euro. Engler hatte eine altbekannte Masche benutzt. Er gab sich als erfolgreicher Investmentexperte aus. Seinen Kunden tischte er eine sagenhafte Story auf. Er könne mithilfe eines Computerprogramms die Entwicklung von Aktien als Erster erkennen.
Tatsächlich besass er nur ein Computerprogramm, mit dem er Aktienkurse analysieren konnte. Er wurde 2013 in Deutschland zu achteinhalb Jahren Haft wegen gewerbsmässigen Betrugs verurteilt. «Wegen guter Führung» und des Abschlusses einer Schreinerlehre wurde er nach Verbüssung von etwas mehr als der Hälfte seiner Strafe auf Bewährung entlassen. In den Medien verriet er, er werde «nichts mehr im Finanzsektor machen». Er suche sich «etwas Bodenständiges».
Der «Tinder-Schwindler»
Betrüger halten sich aber gelegentlich auch an Orten auf, wo man sie nicht erwarten würde. Sie lauern zum Beispiel auf Dating-Apps wie Tinder auf ihre gutgläubigen Opfer. Anschauungsunterricht über ihr oft ähnliches Vorgehen liefert momentan der US-Streamingdienst Netflix mit der sehenswerten Dokumentation «Tinder-Schwindler».
Der Dokumentarfilm war Mitte Februar der beliebteste Netflix-Film in der Schweiz. Er erzählt die wahre Geschichte des israelischen Hochstaplers und Betrügers Simon Leviev (31, Geburtsname: Shimon Hayut). Leviev nutzte die Smartphone-App Tinder, um Frauen kennenzulernen und finanziell auszubeuten.
Seine Masche auf Tinder: beeindruckende Bilder hochladen, welche ihn in Privatjets, auf teuren Jachten oder mit anderen Statussymbolen zeigen. Leviev gab sich als Sohn einer steinreichen Diamantenhändler-Familie aus, um das Vertrauen und die Herzen von Dutzenden Frauen zu gewinnen. Er stellte ihnen neben einem unbeschwerten Luxusleben auch Heirat und Kinder in Aussicht. Um Vertrauen zu schaffen, nahm er seine «Angebetete» gerne einmal mit auf eine «Alles gratis»-Reise im Privatjet.
Was die Date-Partnerinnen nicht wussten: Die Zeche zahlte Leviev immer mit Darlehen oder «geliehenen» Kreditkarten von anderen Frauen. Sobald er das Vertrauen einer Frau gewonnen hatte, begannen seine finanziellen «Notlagen», aus denen er nur dank seiner «heissgeliebten» Freundin herauskommen konnte. Rund 10 Millionen Franken hat sich Leviev laut der Netflix-Doku von seinen gutgläubigen Freundinnen mutmasslich ergaunert.
In der Schweiz richten sich zwei Drittel aller Straftaten gegen das Vermögen
Nach Angaben der US Federal Trade Commission erreichten die gemeldeten Verluste durch solchen «Romantikbetrug» (romance scam) im Jahr 2020 in den USA einen Rekordwert von 304 Millionen Dollar. Die Banden, die hinter Dating-Betrügereien stecken, sitzen oft in Russland, Osteuropa oder Westafrika. Das macht sie für die lokale Polizei schwer greifbar. Bemerkenswert: Rund zwei Drittel aller ermittelten Straftaten in der Schweiz richteten sich gemäss Schweizer Polizeistatistik im Jahr 2020 gegen das «Vermögen» von Personen. Der Angriff aufs Portemonnaie ist somit häufig.
Wer denkt, wer auf Betrüger hereinfalle, müsse leichtgläubig und naiv sein, täuscht sich. Der Soziologe Christian Thiel von der Universität Augsburg schreibt über Betrügermaschen: «Die überzeugende Kraft entsteht nicht durch einen einzelnen Trick, sondern durch den komplexen Ablauf – wie beim Zauberkunststück. Hier spielt die Dramaturgie, die Geschichte, die Show eine grössere Rolle als der Trick selbst.»
Thiel erforscht seit mehreren Jahren, warum altbekannte Betrügermaschen nach wie vor erfolgreich sind. Gemäss ihm kann «jeder und jede auf Betrugsmaschen hereinfallen». Thiel hat für seine Forschung Strassentricks von Gaunern beobachtet, Fälle bei Gericht und in den Medien verfolgt und Gespräche mit Rechts- und Staatsanwälten, Ermittlern sowie Opfervereinigungen geführt.
Keine Freundschaftsanfragen von fremden Menschen annehmen
Die Polizei rät, auf Facebook oder ähnlichen Plattformen niemals Freundschaftsanfragen von Menschen anzunehmen, die man nicht aus dem realen Leben kenne. Man solle sich zudem fragen, wie realistisch es ist, dass ein gutsituierter, attraktiver Mensch aus einem fernen Land ohne irgendeinen Bezug zur Schweiz plötzlich eine Fernbeziehung im Ausland beginnen möchte. Beispielsweise könne man mit der Bildsuche-Funktion von Google prüfen, ob das Foto des Gegenübers auch anderswo im Web auftauche. Wenn jemand dasselbe Foto, aber mit einem anderen Namen auf anderen Websites finde, dann handele es sich «zweifellos um einen Betrug».
Den Kontakt abbrechen solle man spätestens dann, wenn die Person Geld fordere oder man gebeten werde, irgendwelche Güter wie zum Beispiel Mobiltelefone, iTunes-Karten usw. zu verschicken oder Pakete entgegenzunehmen. Besonders wichtig: Man solle «unter keinen Umständen» sein Konto für fremde Finanztransaktionen zur Verfügung stellen. Man könne sich damit strafbar machen wegen Geldwäsche.
Tipps, wie Sie Betrüger entlarven
Schutz von persönlichen Daten: Besser nicht gleich den vollständigen Namen, Wohnort und Arbeitsplatz verraten, sondern beim Online-Dating ein Pseudonym verwenden. Anstatt Handynummer eine extra dafür eingerichtete Mail-Adresse als Kontakt angeben.
Treffen in der Öffentlichkeit: Das erste Date wählt man am besten an einem öffentlichen Ort mit viel Publikumsverkehr, Restaurant, Café oder Bar.
Auf Bezahl-Apps ausweichen: Bei kostenlosen Dating-Apps fehlen meist strenge Sicherheitsvorkehrungen, und es finden sich dementsprechend mehr schwarze Schafe unter den Profilen. Kostenpflichtige Portale prüfen ihre Mitglieder auf ihre Echtheit.
Niemals Geld überweisen: Ein absolutes No-Go ist das Überweisen von Geld, egal, wie vertrauenswürdig die Online-Bekanntschaft erscheint.
Unaufgeforderte Zuschriften: Die Alarmglocken sollten läuten, wenn der Erstkontakt unaufgefordert via Telefon, E-Mail oder Brief oder über eine App oder SMS erfolgt. Seriöse Firmen verfolgen keine solch aggressiven Verkaufsstrategien. Aktivieren Sie im Telefonbuch zum Selbstschutz den Stern-Eintrag gegen unerwünschte Werbeanrufe.
Unrealistisch hohe Renditeversprechen: Liegt die in Aussicht gestellte Verzinsung weit über dem Zins eines Sparkontos, besteht neben einem hohen Anlagerisiko auch höchste Betrugsgefahr.
Mehr Schein als Sein: Lassen Sie sich nicht von Titeln, Kleidung, Statussymbolen, teurem Büro oder prominenten angeblichen Freunden beeindrucken.
Heisse Tipps von Bekannten: Lassen Sie sich keine Geldgeschäfte durch «gute Bekannte» oder Freunde vermitteln. Privates und Geschäftliches sollte man konsequent trennen.
Komplizierte und teure Produkte: Investieren Sie nur in einfach verständliche, transparente und gebührenarme Finanzprodukte.
Zeitdruck: Lassen Sie sich nie unter Druck setzen, und unterzeichnen Sie Verträge erst nach einer mehrtägigen Bedenkfrist.
Referenzen einholen: Von Investitionen in junge Unternehmen sowie in Geldanlagen ohne langjährigen Erfolgsausweis sollten Sie die Finger lassen. Skeptisch stimmen sollte ein Firmensitz im Ausland oder ein Anlageberater ohne festen Wohnsitz in der Schweiz. Verlangen Sie aktuelle Betreibungsauszüge.
Diversifikation: Diversifizieren Sie in jedem Fall Ihre Anlagen, setzen Sie nicht alles auf eine Karte.
Lesen Sie den Originalartikel vom 14.03.2022 auf nzz.ch oder laden Sie sich die NZZ-Online-Version als PDF herunter.
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