Ein Vergleich der Kosten und der CO2-Bilanz von fünf Elektroautos mit ähnlichen Verbrenner-Modellen zeigt, dass die höheren Anschaffungskosten von Elektrofahrzeugen nach nur zwei bis drei Jahren amortisiert sind. Laut der TCS-Studie im Auftrag der NZZ zahlt sich langjährige Treue zum Auto also auch fürs Klima aus.
Bernhard Bircher-Suits 11.10.2021, 05.30 Uhr Alle Jahre ein neues Auto kommt nicht nur die Umwelt, sondern auch die Halter teuer zu stehen: Gerade bei luxuriösen, schnellen und schweren Neuwagen ist der Wertverlust im ersten Jahr in der Regel sehr hoch. Aber auch für Durchschnittsfahrzeuge gilt: Ein neues Auto verliert im ersten Jahr im Schnitt rund 15% seines Listenpreises. Das ist der Preis, den der Hersteller für ein Fahrzeug unverbindlich empfiehlt. Gemäss dem Datenverarbeiter Eurotax liegen die durchschnittlichen Restwerte bei drei Jahre alten Personenwagen bei einem Eintauschwert von noch rund 43% des Listenpreises. Innert gerade einmal drei Jahren verliert ein durchschnittliches Auto somit fast die Hälfte seines Anschaffungspreises.
Jaguar XJ6 3.0 als «Wertvernichtungsmaschine»
Doch wie hoch ist der Verlust bei konkreten Modellen? Eurotax hat den Wertverlust verschiedener Pkw-Modelle für ein Jahr geschätzt und die Ergebnisse einander gegenübergestellt. So verlor zum Beispiel ein Jaguar XJ6 3.0 innert nur einem Jahr 16,5% an Wert. In der Top-Ten-Liste der grössten Wertverlust-Wagen figurieren weitere klingende Namen wie der Lexus LS 430 (–16%) oder der Alfa 166 3.2 (–16,5%). Wer heutzutage ein Auto kauft, stellt sich aber nicht nur rein monetäre Fragen à la «Soll ich besser eine gute und günstige Occasion mit wenigen Jahren auf dem Buckel oder doch einen teuren Wagen ab Fabrik mit hohem Wertverlust im ersten Jahr kaufen?» Wegen des Klimawandels stellen sich viele Autokäuferinnen und -käufer auch die Frage: «Soll ich mir einen vergleichsweise teuren, aber klimafreundlicheren Elektrowagen anschaffen oder doch auf konventionelle Autos mit Benzin-, Diesel- oder Hybrid-Antrieb setzen?»
Erstmals mehr Elektroautos zugelassen als Dieselautos
Statistiken von Auto Schweiz zeigen, inwiefern sich das Käuferverhalten in der Schweiz in Bezug auf diese Frage verändert: Im Juni dieses Jahres sind zum ersten Mal überhaupt mehr rein elektrische Fahrzeuge als Dieselautos neu zugelassen worden. Und fast jeder vierte Neuwagen, der im August in der Schweiz auf die Strasse kam, war bereits ein Elektroauto oder ein Plug-in-Hybrid. Elektroautos liegen somit zunehmend in der Gunst der Käuferinnen und Käufer. Zahlen von Eurotax Schweiz zeigen auch: Seit der Dieselaffäre im September 2015 befinden sich die Angebotspreise bzw. Restwerte von Dieselfahrzeugen auf Talfahrt. Wer heute einen Dieselwagen kauft, muss in Zukunft mit deutlich tieferen Verkaufspreisen rechnen, da die Nachfrage nach Dieselautos sinkt. Hinsichtlich Neuwagen ist auch auf den einschlägigen Verkaufsplattformen die Elektro-Trendwende spürbar. Es sei eine «Wachablösung», die im Juli 2021 stattgefunden habe, schreibt zum Beispiel die Handelsplattform Autoscout 24 in einer Pressemitteilung: «Hinter dem Benzinantrieb sind Elektroautos nun auf Platz 2. Erstmals wurden auf der Plattform mehr neue Elektroautos angeboten als Neuwagen mit Dieselantrieb.» Im Juli waren gemäss Autoscout 24 12,5% der angebotenen Neuwagen rein elektrisch angetrieben.
Die Politik drückt bei Elektroautos aufs Gaspedal
Die Politik sorgt zusätzlich dafür, dass der Kauf einer «veralteten» und zudem klimaschädlichen Verbrenner-Technologie gut überlegt sein sollte. Denn wer möchte mit dem Kauf einer allenfalls bald einmal verbotenen Technologie neben teurem Treibstoff noch mehr Geld verbrennen beim Wiederverkauf? Im Jahr 2035 könnte Schluss sein mit dem Auto, wie wir es bis jetzt kennen. In ihrem im Juli präsentierten neuen Klimaplan «Fit for 55» fordert die EU-Kommission, die jährlichen CO2-Emissionen neuer Fahrzeuge bis 2035 auf null zu reduzieren. Im Umkehrschluss heisst das für Fans von Auspuffen und Motorenlärm: Zu diesem Zeitpunkt ist der Verbrenner nicht mehr im Sortiment. Es können dann – zumindest in Ländern der Europäischen Union – nur noch reine Elektroautos oder Fahrzeuge, die mit Wasserstoff, Biokraftstoff oder E-Fuels betankt werden, neu zugelassen werden. Anette Michel, Projektleiterin beim Verkehrsclub Schweiz (VCS), sagt dazu: «Dieser Schritt wird sich zweifellos bereits im Voraus auf den Restwert sowohl der Verbrenner wie der elektrisch angetriebenen Fahrzeuge niederschlagen.» Der VCS schlägt vor, die Zulassung neuer Verbrenner-Personenwagen in der Schweiz bereits ab dem Jahr 2030 zu verbieten. Auch die Hersteller reagieren auf die Politik und die steigende Nachfrage nach E-Autos. Mit Ford hat beispielsweise ein grosser Volumenhersteller den Ausstieg aus Benziner- und Dieseltechnologie konkret terminiert: Ab 2030 sollen zumindest in Europa alle neuen Personenwagen der Marke rein elektrisch fahren. Und Opel will bereits ab 2028 in Europa nur noch Elektroautos verkaufen. Auch General Motors verabschiedet sich bis 2035 vom Verbrennungsmotor. Selbst der Schweizer Carsharing-Anbieter reitet mittlerweile auf der Elektro-Welle: Mobility will seine Flotte bis 2030 vollständig unter Strom setzen.
Ab wann lohnt sich der «Stromer»?
Doch wie schlagen sich Elektroautos punkto Kosten und CO2-Bilanz gegenüber herkömmlichen, vergleichbaren «Verbrennern»? Die TCS-Studie zeigt: Wer zum Beispiel auf einen Tesla Modell S mit grosser Reichweite («Long Range») setzt, muss mit dem Auto insgesamt 42 807 km abspulen, um die Mehrkosten des Elektroantriebs im Vergleich zum Benziner BMW 6 Gran Tourismo 640d xDrive herauszuholen. Diese Kilometerzahl entspricht etwa einer Weltumrundung. Und wie sieht es mit dem klimaschädlichen CO2 aus? Ab einer Laufleistung von 16 918 km ist dieser Tesla klimafreundlicher unterwegs als jener BMW. Gut zu wissen: Ein durchschnittlicher Autofahrer in der Schweiz legt pro Jahr rund 15 000 km zurück. Der Fahrer eines Tesla Modell S Long Range müsste sein Auto somit mindestens drei Jahre halten, um finanziell besser zu fahren als mit dem BMW-Modell. Ökologisch betrachtet «rechnet» sich der Tesla – bei einer Jahreslaufleistung von rund 15 000 km – nach etwas mehr als einem Jahr. Wer sich fragt, warum ein Tesla S überhaupt CO2-Emissionen verursacht, muss wissen: Allein bei der energieintensiven Produktion des Wagens wird – wie auch bei einem Diesel- oder Benzinauto – viel klimaschädliches CO2 freigesetzt. Wird der Elektrowagen dann auch noch mit Strom aus fossilen Kohlekraftwerken betrieben, verschlechtert sich die Klimabilanz entsprechend. Günstigere Elektrowagen wie zum Beispiel der leichtere Mittelklassewagen Fiat 500e La Prima ist im Vergleich zum Luxuswagen Tesla S deutlich rascher im finanziellen und ökologischen Vorteil gegenüber dem Benziner-Konkurrenten Fiat 500 Abarth 595 Competizione. Noch besser schneidet der relativ neue elektrische Volkswagen ID.3 Pro S Tour gegen das Benziner-Modell ab. Nach einer Laufleistung von nur 5585 km ist der um 500 Fr. höhere Fahrzeugpreis für das Elektroauto über die Kilometerkosten bereits amortisiert.
Rund zwei Drittel der Autokosten sind fix
Was Autokäufer auch wissen sollten: Rund zwei Drittel der gesamten Autokosten sind fix. Es spielt somit keine Rolle, wie viel man pro Jahr fährt. Zu den Fixkosten zählen Verkehrssteuern, Garage, Fahrzeugpflege und Nebenkosten. Nur ein Drittel der gesamten Autokosten sind variable Kosten wie zum Beispiel Treibstoff, Service und Abschreibungen. Und: Vor allem der Wertverlust bzw. die Abschreibungen sind in den ersten Jahren nach dem Kauf hoch. Anette Michel, Projektleiterin beim Verkehrsclub Schweiz (VCS), sagt: «Occasions-Elektroautos haben den Vorteil, dass die graue Energie bereits teilweise amortisiert ist. Zudem zeigt sich, dass die Batterien langlebiger sind als anfänglich erwartet. Wir gehen deshalb davon aus, dass sich Elektroautos schon heute zu guten Preisen weiterverkaufen lassen – und die Restwerte gegenüber Verbrenner-Autos in Zukunft deutlich steigen werden.»
Lange Haltedauer macht sich bezahlt
Elektroautos sind weltweit auf der Überholspur. Wer ein Auto mit Elektroantrieb fährt, kann klimaschädliches CO2 und in vielen Kantonen auch Motorfahrzeugsteuern sparen. Die höheren Anschaffungspreise von Elektroautos machen Halter mit tieferen Wartungskosten und günstigen Strompreisen wett. E-Autos haben weniger Verschleissteile als Verbrenner und benötigen daher weniger Wartung. Durchschnittlich kann sowohl bei den Betriebs- und Unterhalts- als auch bei den Treibstoffkosten gespart werden. Je mehr Kilometer man pro Jahr elektrisch fährt, desto rascher rechnet sich ein Elektrowagen im Vergleich zu einem Verbrenner. Generell lohnt es sich, ein Auto mindestens drei Jahre oder noch länger zu behalten. Besonders bei teuren Wagen mit hohem Wertverlust in den ersten Jahren nach dem Kauf macht sich eine sehr lange Haltedauer doppelt bezahlt – nicht nur fürs Klima, sondern auch fürs eigene Portemonnaie. Und Sparfüchse und Umweltbewusste kaufen Elektroautos nach Möglichkeit aus zweiter Hand.
Lesen Sie den Originalartikel vom 21.09.2021 auf nzz.ch oder laden Sie die NZZ-Online-Version mit umfassender Tabelle als PDF.
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