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Vorbezug von Geldern aus der Pensionskasse und der Säule 3a: So schickt man die alte Ölheizung mit Alterskapital in Rente

Bei der Wohneigentumsquote ist die Schweiz in Europa Schlusslicht. Käuferinnen und Käufer von selbst bewohntem Wohneigentum können ihre eigenen vier Wände immerhin mit Alterskapital aus der Pensionskasse oder der Säule 3a finanzieren. Diese wichtigen Regeln sollten Sie kennen.

 
 

Autor: Bernhard Bircher-Suits
30.08.2022, 13:52 Uhr

Die Wohneigentumsquote in der Schweiz ist im internationalen Vergleich sehr tief. Nur 36 Prozent aller dauernd bewohnten Wohnungen werden von ihren Eigentümern selbst bewohnt. Das zeigen Daten des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO). Zum Vergleich: In Rumänien lag die Wohneigentumsquote im Jahr 2020 bei 96 Prozent – ein Spitzenwert in der EU.

Die Schweiz hat unter allen europäischen Ländern den geringsten Wohneigentumsanteil. Gemäss «Immo-Monitoring 2022-2» des Zürcher Immobilien-Beratungsunternehmens Wüest Partner geht die Wohneigentumsquote in der Schweiz seit 2015 bis heute sogar kontinuierlich zurück. Ein Grund dafür ist, dass in den vergangenen Jahren deutlich mehr Mietwohnungen als Wohneigentumsobjekte gebaut wurden.

Zudem ist Bauland in der Schweiz knapp, und die Preise bei Einfamilienhäusern sind im letzten Jahr so stark gestiegen wie letztmals vor mehr als 30 Jahren. In vielen Regionen ist es fast unmöglich, Eigentum zu finden. Wenig überraschend hat die Wohneigentumsquote in der Schweiz bei Familien und Alleinerziehenden am stärksten abgenommen. Von 2015 bis heute ist ihr Anteil um 7 Prozentpunkte gesunken.

Vorsorgegeld für selbst bewohntes Eigentum

Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) erlaubt es indessen Käuferinnen und Käufern, für den Erwerb von selbst benutztem Wohneigentum Geld aus der beruflichen Vorsorge vorzubeziehen. Darunter versteht man den ganzen oder teilweisen Bezug des Sparguthabens vor der Pensionierung zur Finanzierung von selbst bewohntem Wohneigentum. Kreditgeber bestehen darauf, dass mindestens 10 Prozent des Kaufpreises mit eigenen Mitteln bezahlt werden, welche nicht aus der Pensionskasse stammen. Die weiteren 10 Prozent des Immobilienpreises müssen in Form von Barmitteln, Spargeldern, Wertschriften, Erbvorbezügen oder Guthaben aus der freiwilligen, gebundenen Säule 3a bereitgestellt werden.

Der Bund ist zudem gemäss Verfassung seit 1972 verpflichtet, Wohneigentum zu fördern. Durch die staatliche Wohneigentumsförderung (WEF) soll der Kauf von Wohneigentum einer breiten und hauptsächlich jungen Bevölkerung (Familien) zugänglich gemacht werden. Doch der eingangs beschriebene Rückgang bei dieser Fördergruppe zeigt: Die WEF entfaltet nicht die gewünschte Wirkung.

Doch wie funktioniert die WEF? Mittel aus der beruflichen Vorsorge wie auch der freiwilligen Säule 3a können in Form eines Vorbezugs oder einer Verpfändung beansprucht werden. Mittel, welche in Form eines Barvorbezugs eingesetzt werden, gelten bei Kreditgebern wie Banken, Versicherungen oder Pensionskassen im Unterschied zur Verpfändung als Eigenkapital. Durch den Barvorbezug können somit die Belehnung und die Hypothekarzinskosten gesenkt werden.

Der Haken beim Vorbezug: Die Altersrente wird geschmälert, da das angesparte Vorsorgekapital um den vorbezogenen Betrag zuzüglich der aufgelaufenen Zinsen reduziert wird. Der Finanzdienstleister VZ Vermögenszentrum empfiehlt Käufern, Altersgeld zu verpfänden und bezogene Pensionskassengelder rasch wieder in die Pensionskasse zurückzuführen, um die Altersrente wieder aufzubessern. Doch ein Vorbezug muss nicht immer ein Nachteil sein: Denn das Leben im Eigenheim verringert auch die Wohnkosten bis zum Lebensende. Und die Wertsteigerung der Immobilie ist häufig höher als der Zins auf dem Altersguthaben der Pensionskasse.

Verpfändung oder Bezug?

Der Vorteil der Verpfändung liegt darin, dass das Vorsorgeguthaben nicht reduziert wird, solange die Hypothekarforderungen bedient werden können und das Pfand nicht verwertet werden muss. Die Verpfändung führt jedoch aufgrund der höheren Verschuldung zu einem höheren Hypothekarzinsaufwand. In Zeiten von steigenden Kreditzinsen kann das ein Nachteil sein.

Beim WEF-Vorbezug gilt: Man darf sein Vorsorgeguthaben ganz oder teilweise alle fünf Jahre beziehen. Bis zum Alter 50 darf man das gesamte Sparkapital bei der Pensionskasse beziehen. Ab dem Alter 50 maximal die Hälfte des angesparten Vorsorgekapitals oder den Betrag, der beim Alter 50 vorhanden war, falls dieser höher ist. Die maximale Bezugshöhe steht auf dem Pensionskassenausweis.

WEF-Vorbezüge für Renovationen und Umbauten sind auch aus der Säule 3a zulässig. «Ein Vorbezug aus der Säule 3a ist meist unproblematisch. Einzig bei gemischten 3a-Lebensversicherungen sollte man die Kosten der Auflösung der Versicherung hinterfragen», sagt Florian Schubiger, Hypothekar- und Vorsorgeexperte bei dem Unternehmen Vermögenspartner. Zudem sollte abgeklärt werden, ob der Versicherungsschutz noch gebraucht werde und ob es nach dem Vorbezug noch eine neue, reine Risikoversicherung brauche.

Vorbezüge aus der beruflichen Vorsorge dürfen gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auch für «angemessene Renovations- und Umbauarbeiten» getätigt werden, welche zum Zweck haben, die Wohnqualität und den Wert einer Liegenschaft zu erhalten. Nach Auffassung des BSV ist daher ein WEF-Vorbezug für eine Wärmepumpenheizung mit Erdsonde zulässig. Wer gebundene Vorsorgegelder bezieht, zahlt aber eine Kapitalauszahlungssteuer. Diese reduzierte Steuer darf nicht mit Vorsorgegeldern beglichen werden.

Vorsicht vor der Vorsorgelücke

Das VZ Vermögenszentrum rät, Pensionskassengeld zu verpfänden, anstatt es bar zu beziehen. «Viele sind sich nicht bewusst, dass mit einem WEF-Bezug aus der zweiten Säule eine Vorsorgelücke entsteht. Zudem können nach einem Vorbezug aus der zweiten Säule erst wieder steuerwirksame Einkäufe getätigt werden, wenn der Bezug vollständig zurückbezahlt wurde», sagt Schubiger.

Bei einem WEF-Bezug lohne es sich, genau zu rechnen. Manche Berater gingen zu wenig auf potenzielle Risiken ein, sagt Schubiger. Sie wollten in erster Linie eine Hypothek verkaufen und rieten deshalb nur selten von einem Immobilienkauf ab, auch wenn es aus finanzplanerischer Sicht ratsam wäre. Als Beispiel nennt er ein Paar, das eine Immobilie für 2 Millionen Franken kaufen wollte. Dafür wollte es das gesamte Pensionskassenkapital beziehen, zusätzlich war es auf einen Erbvorbezug angewiesen. Weil ein Drittel des Lohnes in Form eines Bonus ausbezahlt wurde und der Job alles andere als sicher war, habe er vom Kauf abgeraten. Das Paar habe mittlerweile eine preiswertere Immobilie für 1,5 Millionen Franken gekauft.

Diese WEF-Regeln sollten Sie kennen
  • Alternativen zum WEF-Vorbezug: Unverzinste und nicht rückzahlbare Darlehen von Eltern, Bekannten oder Verwandten können eine sinnvolle Alternative zum WEF-Vorbezug darstellen. Sobald für solche Darlehen ein Zins und/oder eine Amortisation verlangt wird, gelten sie aber nicht mehr als Eigenkapital, und die Bank rechnet mit den gleichen kalkulatorischen 5-Prozent-Zinskosten wie für die Hypothek.

  • Alterslimiten: WEF-Bezüge sind gemäss per Anfang 2021 revidiertem Gesetz zulässig bis «zur Entstehung des reglementarischen Anspruchs auf Altersleistungen».

  • Bezugsberechtigung: Beim Bezug von Vorsorgegeld sowie bei einer Verpfändung muss die versicherte Person voll erwerbsfähig sein. Beim Bezug wie auch bei der Verpfändung ist eine amtlich beglaubigte, schriftliche Zustimmung des Ehegatten oder des eingetragenen Partners beziehungsweise der eingetragenen Partnerin erforderlich.

  • Investitionen und Amortisationen: Wer Wohneigentum besitzt, kann die bezogenen Vorsorgemittel auch für wertvermehrende Investitionen und für die Reduktion der Hypothekarschuld beziehen – aber nicht für den laufenden Unterhalt und Zinszahlungen.

  • Renovationen mit WEF-Geldern: Das BSV kennt folgende Regel: Eine Finanzierung kann nur erfolgen, wenn die Renovation der Erhaltung der «Wohnqualität und der Werterhaltung» gilt. Für luxuriöse sowie unbedeutende Renovationen dürfen hingegen keine WEF-Gelder zur Verfügung gestellt werden. Sie können aber zum Beispiel für eine komplette Erneuerung aller Fenster oder für weitere energetische Massnahmen bezogen werden. WEF-Vorbezüge für Renovationen und Umbauten sind nicht nur aus der zweiten Säule, sondern auch aus der Säule 3a zulässig.

  • Rückzahlung WEF-Vorbezug: Bei Veräusserung des Wohneigentums muss der bezogene Betrag zurückbezahlt werden. Die WEF-Rückzahlung ist freiwillig möglich, solange die versicherte Person noch keinen reglementarischen Anspruch auf Altersleistungen erlangt oder noch keine Willenserklärung für eine vorzeitige Pensionierung abgegeben hat. Der Mindestbetrag für eine Rückzahlung beträgt 10 000 Franken.

Lesen Sie den Originalartikel vom 30.08.2022 auf nzz.ch oder laden Sie sich die NZZ-Online-Version als PDF herunter.

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