Die unsicheren Zeiten haben Jungunternehmer nicht aufgehalten: Trotz Coronavirus-Krise werden im Jahr 2020 wohl so viele Unternehmen gegründet wie noch nie. So kommen Kleinunternehmen kostengünstig und erfolgreich durch die Startphase.
Autor: Bernhard Bircher-Suits
Wie hoch hierzulande die «Übersterblichkeit» bei Unternehmen bis zum Ende der Corona-Krise ausfallen wird, steht noch in den Sternen. Klar ist einzig die «Normalsterblichkeit»: Ein Jahr nach der Firmengründung existieren gemäss der sogenannten «Unternehmensdemografie» des Bundesamts für Statistik (BfS) im Schnitt noch rund 80% aller neuen Firmen in der Schweiz. Nach weiteren vier Jahren sind nur noch rund die Hälfte dieser Unternehmen am Leben. Stark betroffen vom Firmensterben sind üblicherweise vor allem Jungunternehmen mit nur einer beschäftigten Person.
Höchste Überlebensrate im Gesundheits- und Sozialwesen
Die Firmen-Überlebensraten variieren stark nach Wirtschaftszweig: Der Zweig «Gesundheits- und Sozialwesen» verzeichnet gemäss BfS die höchste Überlebensrate. Nach fünf Jahren waren rund 64% der 2013 neu gegründeten Unternehmen noch aktiv. Zum Vergleich: Im Gastgewerbe waren fünf Jahre nach der Gründung nur noch 38% der Firmen aktiv. Spätestens im Corona-Jahr 2021 dürfte sich die traditionell hohe Firmensterblichkeit in der Gastrobranche weiter erhöhen – trotz staatlichen Überlebenshilfen.
Erstaunlicherweise peilt die Schweiz im Corona-Jahr 2020 einen Rekordwert bei den Firmenneugründungen an. Im November 2020 wurden gemäss dem Institut für Jungunternehmen (IFJ) insgesamt 4177 neue Firmen aus der Taufe gehoben. Das entspricht einem Plus von rund 15% gegenüber dem November 2019. In den ersten drei Quartalen 2020 wurden insgesamt 33 617 neue Firmen gegründet – ein Anstieg von 2,5% im Vergleich mit dem bisherigen Rekordjahr 2019. Doch Gründerinnen und Gründer, welche die ersten Jahre mit ihrer Firma überleben möchten, sollten neben einer guten Geschäftsidee und einem soliden Businessplan auch die anfänglich meist spärlich vorhandenen Unternehmensfinanzen im Griff behalten. Vor allem die Startphase ist kostspielig, und meist fliessen mangels Kunden noch wenig Erträge.
Bereits bei der Gründung fallen für Gründerinnen und Gründer hohe Kosten an. Und wie so oft in der Schweiz variieren sie je nach Kanton. Das Staatssekretariat für Wirtschaft geht davon aus, dass für eine Einzelfirma rund 120 Fr. für einen Handelsregistereintrag und bis zu 1000 Fr. für die Gründung anfallen. Wer mit einer GmbH oder einer AG ins Geschäftsleben startet, zahlt rasch mehrere tausend Franken für Handelsregistereintrag, Notar und Beratungen beim Treuhänder.
Bereits bei der Gründung Geld sparen
Doch beim Gründungsprozess gibt es Sparmöglichkeiten: Wer die Gründung zum Beispiel beim Institut für Jungunternehmen macht, fährt mit jeglicher Rechtsform kostenlos. Der Haken: Man bindet sich an Dienstleister wie Swisscom und Postfinance. Wer sowieso bei diesen Anbietern unterkommen wollte oder schon Kunde ist, sollte diese Option dennoch prüfen. Nach einem Jahr kann man die Bank oder den Telekom-Dienstleister immer noch für einen günstigeren Anbieter wechseln. Das Gründerportal Startups.ch bietet ähnliche Dienste mithilfe von anderen Partnern an – und wie das IFJ auch Beratungsleistungen. Es kann sich auch lohnen, bei Dienstleistern nach Spezialangeboten für Startups zu fragen.
In der Schweiz sind Investoren und Banken eher restriktiv in der Vergabe von Krediten an junge Firmen. Bankkredite sind zudem sündhaft teuer, und es empfiehlt sich, möglichst viel Startkapital im Familien- und Freundeskreis in Form von möglichst zinsfreien Darlehen aufzutreiben. Inhaber einer Einzelfirma oder Kollektivgesellschaft können ihr Startkapital nach Möglichkeit auch bar bei der Pensionskasse beziehen. Ein Bezug ist aber nur in den ersten zwölf Monaten nach Bestätigung der Selbständigkeit durch die AHV-Ausgleichskasse möglich. Für teilweise Selbständige beginnt die Frist erst zu laufen, wenn sie im Angestelltenverhältnis nicht mehr der beruflichen Vorsorge unterstehen.
Ein Pensionskassen-Vorbezug muss aber sorgfältig abgewogen werden. Entpuppt sich die Geschäftsidee als Flop, ist im schlechtesten Fall auch das investierte Altersvorsorge-Geld futsch. David Christen aus Stein am Rhein ist Gründer mehrerer Firmen. Er mahnt: «Wer sich mit wenig privaten Ersparnissen an den Firmenstart wagt, sollte zu Beginn einen Teilzeitjob behalten und nicht alles auf eine Karte setzen.» Als Unternehmer müsse man sich zudem «für alle möglichen Arbeiten motivieren können».
Verzicht auf unnötige Versicherungen
Spätestens nach dem Firmeneintrag im Handelsregister quellen der neue Unternehmensbriefkasten und die Mailbox mit diversen Angeboten von Dienstleistern über. Besonders langfristig verpflichtende Angebote sollte man kritisch prüfen. Dazu zählen beispielsweise Versicherungslösungen wie eine «Cyberversicherung», auf die man zumindest in der teuren Startphase getrost verzichten kann.
Im Gegensatz zu den Sozialversicherungen sind Unternehmer bei den Betriebsversicherungen frei in der Wahl. Bei einer Kapitalgesellschaft wie einer GmbH oder AG sind eine Pensionskasse und die Unfallversicherung obligatorisch – wobei die Pensionskasse zu Beginn auf ein Minimum gesetzt werden kann. Freiwillig sind Krankentaggeldversicherung, Sachversicherungen und Haftpflicht. Bei Personengesellschaften ist sogar nur eine Unfalldeckung für Heilungskosten über die Krankenkasse obligatorisch. Je nach Branche bzw. Tätigkeitsgebiet ist eine Haftpflichtversicherung sogar obligatorisch.
Bei Fixkosten genau hinsehen
Das Beispiel (siehe Tabelle unten) zeigt in konkreten Zahlen, wie viel Geld allein für die Versicherungen zuerst einmal verdient werden muss. Die Unterschiede bei den Offerten machen auch klar, dass es sich lohnt, jeweils mehrere Versicherungsofferten einzuholen. So kostet die jährliche Prämie für eine Haftpflichtversicherung bei einem günstigen Versicherer 189 Fr., bei einem teuren Anbieter hingegen 275 Fr.
Ein grosser Fixposten sind neben den Versicherungen meist die Löhne und die Büromiete. Tipp: vor allem zu Beginn die Infrastruktur von Startup- und Gründerzentren nutzen, statt teure eigene Räumlichkeiten zu mieten. Muss es ein eigenes Büro sein, können Jungunternehmen beispielsweise Geräte und Einrichtung gebraucht kaufen, um die Kosten zu senken. Auf Plattformen wie Tutti, Ricardo oder Brockisearch findet man per Mausklick Büromöbel für jeden Geschmack. Bei der Anschaffung von Maschinen und Fahrzeugen kann Leasing eine sinnvolle Alternative zum Kauf sein. Es schont die Liquidität.
Um die Finanzen rund um die Uhr im Griff zu behalten, kann sich eine Online-Buchhaltungssoftware wie Bexio oder Klara lohnen. Damit lassen sich Offerten und Rechnungen nicht nur einfach erstellen, sondern auch direkt verbuchen. Wer etwas Ahnung von Buchhaltung hat, kann mit solchen Online-Programmen vieles ohne fremde Hilfe erledigen. Fredy Hämmerli aus Rüschlikon (ZH) ist Startup-Coach und Koautor des Buchs «Erfolgreich als Kleinunternehmer». Er sagt: «Funktionierende Prozesse, der systematische Aufbau eines Kundenstamms und eine saubere Buchhaltung sind existenziell − und werden aus lauter Freude an den kreativen Ideen oft vernachlässigt.»
Arbeiten und am Ende des Tages vergessen, Rechnung zu stellen, führt rasch zum Untergang. Das tönt banal, ist für viele Startups aber ein zentrales Problem. Tüfteln, Forschen, Entwickeln macht Spass. Die Administration ist dröge. Doch nur wenn das Backoffice ebenso professionell, digitalisiert und engagiert geführt wird wie Entwicklung, Produktion und Vertrieb, besteht Hoffnung auf langfristigen Erfolg.
Tipps für eine erfolgreiche Startphase
Akquise:
Jeder Kontakt ist eine Chance, einen Neukunden zu gewinnen – mit Freundlichkeit, Fachwissen, Zuverlässigkeit und Seriosität punkten
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