Depotwechsel zu einer anderen Bank: Ein Transfer von wenigen Aktien und Fondsanteilen kostet rasch über 1000 Franken

Bank

Wer sein Wertschriftendepot in der Schweiz zu einem anderen Finanzinstitut transferiert, zahlt bei der bisherigen Depotbank hohe Umzugsgebühren. Ein Überblick über die Kosten je nach Bank und über Einsparungsmöglichkeiten.

Autor: Bernhard Bircher-Suits, Publikation in der NZZ am 16.03.2023

Anfang Jahr erhalten Wertschriftenhalter jeweils die detaillierten Depotauszüge ihrer Bank. Darin steht, wie viel ihre Wertschriften Ende Jahr jeweils noch wert sind und welche Renditen sie im vergangenen Jahr erzielt haben.

Das schlechte Börsenjahr 2022 hat in vielen Depots für hohe Buchverluste gesorgt. So erlebte die Wall Street in den USA im Handelsjahr 2022 zum Beispiel ihren tiefsten Fall seit 2008. Der Schweizer Leitindex SMI schloss per Ende 2022 ebenfalls tief: Im Vergleich zum Schlussstand von Ende 2021 resultierte ein Minus von rund 17 Prozent. Auch Krypto-Anleger mussten im vergangenen Jahr untendurch.

Depotauszüge: hohe Buchverluste und Depotgebühren

Die Banken liefern aber nicht nur Depotauszüge, sondern verrechnen auch Depotgebühren. Das sind Spesen, die eine Bank ihren Kunden für die Verwahrung der Wertpapiere in Rechnung stellt. Das Deponieren der Wertpapiere kann beispielsweise im Rahmen einer Börsenhandels-Dienstleistung oder einer Vermögensverwaltung erfolgen.

Die Aargauerin Antonia Müller (Name geändert) erhält die «Gebührenbelastung Depot» ihrer Raiffeisenbank nicht nur einmal Ende Jahr, sondern viermal pro Jahr. Sie ärgert sich daher gerade mehrmals über die Schreiben ihrer regional tätigen Raiffeisenbank: «Mein Depot-Minus betrug im Jahr 2022 rund 25 Prozent, und ich zahle Jahr für Jahr auch noch rund 172 Franken Gebühren für mein Depot im Wert von gerade einmal 75 000 Franken. Und das, obwohl ich meine Obligationen seit Jahren im Depot liegenlasse.»

Die Vermutung liegt nahe: Um die Depotgebühren psychologisch erträglicher zu machen, belasten Banken ihre Spesen in kleinen Tranchen dem dazugehörigen Transaktionskonto.

Untreue Depotkunden werden bestraft

Doch wie kann Antonia Müller Depotgebühren sparen und damit indirekt auch ihre miese Rendite aufpolieren? Was wechselwillige Depotinhaberinnen und -inhaber wissen müssen: Sie werden beim Bankwechsel von ihren bisherigen Instituten mit teilweise happigen Transfergebühren für ihre Untreue «bestraft». Einige Banken nennen solche Spesen auch «Titelauslieferungsgebühren».

Trotz zum Teil abschreckend hohen Transfergebühren (siehe Tabelle) kann sich ein Wechsel zu einer günstigeren (Online-)Bank grundsätzlich rechnen. Die Preisunterschiede bei den Depotgebühren und Handelskosten sind schliesslich gross – vor allem zwischen Online-Banken und Finanzinstituten mit teurem Filialnetz und persönlicher Beratung.

Online-Broker bieten meist tiefere Handelskosten

So müsste Antonia Müller beispielsweise bei der Schweizer Online-Bank Swissquote für ihr Depotvermögen anstatt 172 Franken wie bei Raiffeisen lediglich 100 Franken Depotgebühren im Jahr bezahlen. Bei Postfinance wären es sogar nur 90 Franken «Jahresgebühr». Gar keine Depotgebühren verlangt Cornèrtrader, das digitale Broker-Angebot der Cornèr Bank.

Namhafte Raiffeisen-Konkurrenten wie die Grossbanken UBS oder Credit Suisse zählen nicht zu den günstigen Online-Wertschriftenhändlern in der Schweiz – im Gegenteil. Wer als Gelegenheits-Trader günstige Handelsgebühren sucht und tiefe Depotgebühren bezahlen will, sollte die Konditionen von Schweizer Anbietern wie Cornèrtrader, Flowbank, Swissquote, VZ Depotbank, Keytrade Bank oder den ausländischen Billig-Broker Degiro unter die Lupe nehmen. Reine Online-Börsenhändler eignen sich für Anlegerinnen wie Antonia Müller, die keine Beratung oder Vermögensverwaltung benötigen und Börsengeschäfte auf eigene Faust erledigen.

Transferkosten sind bei der UBS sehr hoch

Antonia Müller hat sich einen Bankwechsel wegen der hohen Depotgebühren schon mehrmals überlegt. Doch ihre Raiffeisenbank «fesselt» sie mit abschreckenden Transferkosten ans Haus. Müller sagt: «Ein Umzug meines Depots würde mich zusätzlich Geld kosten.»

Aber auch Inhaberinnen und Inhaber von Wertschriftendepots bei anderen Banken müssen einen Wechsel zur Konkurrenz teuer bezahlen. Das zeigt ein Vergleich der Transferkosten für zwei Musterdepots bei namhaften Schweizer Banken (siehe Tabelle). Zwischen 50 (Swissquote) und 150 Franken (UBS) verlangen die untersuchten Banken für den Transfer einer einzelnen Position, also beispielsweise für die Anteile eines Fonds oder für einen einzelnen Posten Aktien.

Am teuersten kommt der Umzug der Musterdepots bei der UBS zu stehen. Bei ihr zahlt der Kunde für den Transfer eines Depots mit 5 beziehungsweise 14 Positionen 808 bis 2262 Franken (siehe Tabelle). Die UBS hält in ihrer Antwort auf die Gebührenanfrage fest: «Individuelle Transferkostenvereinbarungen werden individuell und von Fall zu Fall geprüft. Zudem werden die Transferkosten in vielen Fällen von der übernehmenden Bank (teilweise) übernommen.»

Bei Swissquote heisst es etwas verbindlicher: «Für Kunden, die ihr Depot zu Swissquote übertragen lassen wollen, übernehmen wir bis zu 500 Franken der Gebühren.» Cornèrtrader wirbt auch damit, Umzugskosten bis zu 500 Franken zu übernehmen. Antonia Müller hätte an sich noch Glück im Unglück: Da sie nur eine Position im Depot hat, müsste sie vergleichsweise tiefe Spesen für ihren Abgang bei der Raiffeisenbank bezahlen.

Tiefe Auslieferungsgebühren bei Swissquote

Im Vergleich verlangt die Online-Bank Swissquote am wenigsten für einen Depotwechsel. Für den Transfer der beiden Musterdepots stellt der digitale Börsenhändler rund 270 Franken (Musterdepot 1) beziehungsweise 754 Franken in Rechnung (Depot 2). Die Gebühren gestalten sich bei den Banken jeweils unabhängig vom Wert der Anlagen. Entscheidend ist vielmehr die Anzahl der Positionen im Depot.

Richtig ins Geld geht deshalb ein Bankwechsel, wenn eine Person eine Vielzahl verschiedener Aktienpositionen und Fondsanteile hält. Bestraft werden beim Wechsel somit besonders Anleger, die ihr Depot stark mit verschiedenen Fonds und in- sowie ausländischen Titeln diversifiziert haben. Das ergibt aus Risikogründen an sich Sinn, ist beim Umzug aber eine Kostenfalle.

Um die Kosten zu senken, können folgende Tipps helfen: Wer sowieso gewisse Depotpositionen umschichten will, kann diese Titel noch bei der alten Bank verkaufen. Mit dem Ertrag kann man dann bei der neuen Bank neue Wertschriften kaufen und so die Transferkosten sparen. Wer ein grosses Wertschriftendepot im Wert von mehreren hunderttausend Franken zügeln will, sollte bei der zukünftigen Bank fragen, ob sie die derzeit anfallenden und auch die zukünftigen Transferkosten von Wertschriften übernimmt. Solche Kosten sind je nach Dauer der Kundenbeziehung und Kontostand verhandelbar – besonders bevor man das neue Bankkonto und Depot eröffnet.

Depotschliessungen sind in der Regel kostenlos

Immerhin: Die Schliessung von Transaktionskonten und Depots bei der Hausbank ist in der Regel kostenlos möglich. Wer neben dem Depot auch seine Konten zügeln will, sollte sich genau überlegen, welche Leistungen benötigt werden, und für den Umzug einen gewissen Zeit- und Organisationsaufwand einkalkulieren. Auch Daueraufträge und Lastschriftverfahren sowie E-Rechnungen müssen aufs neue Konto übertragen werden.

In der Regel unterstützt einen die neue Bank in Form von Formularen, die nur ausgefüllt und an die entsprechenden Empfänger verschickt werden müssen. Die Seniorin Antonia Müller ist übrigens bei ihrer Hausbank geblieben. Sie sagt: «Ein Wechsel erschien mir dann doch zu teuer und zeitaufwendig.» Der Fall zeigt: Die drohenden «Strafgebühren» wirken.

So klappt der Konto- und Depotwechsel

  • Informieren Sie sich bei der bisherigen Bank über allfällige Gebühren fürs Auflösen Ihrer Konten. Vor allem Depotschliessungen sind teuer. Fragen Sie bei der neuen Bank nach, ob sie die Depottransferkosten und auch zukünftige Aus- und Einlieferungsgebühren zumindest teilweise übernimmt.

  • Erkundigen Sie sich bei der neuen Bank nach Depot- und Kontogebühren sowie Zinsen. Günstig fahren Sie in der Regel mit Online-Konten und -Börsenhändlern.

  • Erstellen Sie eine Liste aller gegenwärtigen Lastschriftverfahren und Daueraufträge, und gehen Sie damit zur neuen Bank.

  • Teilen Sie der bisherigen Bank alle Änderungen schriftlich mit.

  • Gleichen Sie den Saldo des alten Kontos aus.

  • Kontrollieren Sie, ob alle Wertschriften und Konten übertragen worden sind.

  • Schliessen Sie das Konto.

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Wohneigentum: So findet man den finanziell attraktivsten Wohnort

Wohnungsvergleich Geldsparen

Bei der Suche nach bezahlbarem Wohneigentum sind Faktoren wie unter anderem Wohnangebot und -kosten, Krankenkassenprämien und Steuern zu berücksichtigen. Wer clever sucht, kann Jahr für Jahr Tausende Franken Kosten sparen. Ein Vergleich.

Autor: Bernhard Bircher-Suits, Publikation in der NZZ am 06.02.2023

Hans Klein (48) und seine Ehefrau Marilena Klein (39, Namen geändert) haben gemeinsam ein Baby und ein Problem: Ihre 3,5-Zimmer-Mietwohnung in der Zürcher Vorortsgemeinde Birmensdorf ist zu klein für die dreiköpfige Familie. Hans Klein sagt: «Uns fehlen noch ein oder zwei zusätzliche Zimmer für Gäste und Büro.» Mit rund 2500 Franken Miete pro Monat inklusive Nebenkosten ist die bisherige Wohnung zwar nicht überrissen teuer, aber auch kein Schnäppchen. Hans Klein benötigt mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Idealfall rund eine halbe Stunde reine Fahrtzeit von Birmensdorf nach Schlieren. Hier arbeitet er im öffentlichen Dienst. Seine Frau fährt per Bus rund eine Viertelstunde nach Zürich ins Büro.

Eigenheimpreise in der Zürcher Agglomeration sinken leicht

Das Ehepaar sucht nun – wie Hunderte andere kaufwillige Familien – nach bezahlbarem Wohneigentum im Grossraum Zürich. Die Idealvorstellung der Familie: Die Fixkosten für Hypothek, Krippe, Krankenkasse und Steuern sollten möglichst nicht massiv höher als am derzeitigen Wohnort Birmensdorf sein. Zudem möchten sie einen möglichst kurzen Arbeitsweg.

Was ihnen in Bezug auf die Kaufpreise von Immobilien etwas Hoffnung gibt: Gemäss neusten Zahlen der Zürcher Kantonalbank hat sich das Wachstum der Zürcher Eigenheimpreise im vierten Quartal 2022 im Vorjahresvergleich fast halbiert. Während die Stadt Zürich sowie die Seegemeinden weiterhin ein deutliches Preiswachstum zeigen, sind die Eigenheimpreise in der Agglomeration leicht gesunken.

«Wohneigentum schützt vor Kündigung»

«In unserer Mietwohnung dürfen wir nichts verändern. Wir müssen zudem immer mit einer Kündigung rechnen. Wohneigentum soll uns in Zukunft vor einer Kündigung schützen», sagt Klein über den Traum von den eigenen vier Wänden. Daher suche seine Familie nach Wohneigentum mit vier bis sechs Zimmern im Grossraum Zürich. Er arbeitet seit vielen Jahren in einem 80-Prozent-Pensum, seine Frau hat eine 50-Prozent-Anstellung. «Als zukünftigen Wohnort könnten wir uns zum Beispiel Gemeinden wie Baden, Winterthur, Zürich oder das Steuerparadies Kilchberg vorstellen.»

Das teilzeitlich arbeitende Doppelverdienerpaar hat ein steuerbares Einkommen von 110 000 Franken und nach Abzügen ein Nettoeinkommen von 93 000 Franken. Die beiden haben insgesamt 160 000 Franken auf Säule-3a-Konten einbezahlt. Für den Kauf von Wohneigentum könnte das Paar inklusive Säule 3a rund 500 000 Franken Eigenkapital aufbringen.

Grosse Unterschiede beim durchschnittlichen Kaufpreis

Doch sind die angepeilten Wohngemeinden für einen Kauf von Wohneigentum überhaupt bezahlbar, und wie sehen die Fixkosten im Vergleich zur bisherigen Wohngemeinde Birmensdorf aus? Der Tabellenvergleich zeigt Folgendes:

Das Zürcher Steuerparadies Kilchberg wäre mit Fixkosten von 18 540 Franken mit Abstand der günstigste Wohnort im Vergleich der fünf Gemeinden. Danach folgt der gegenwärtige Wohnort Birmensdorf mit Fixkosten in der Höhe von 20 028 Franken pro Jahr. Bei Steuern und Krankenkassen schneidet die Stadt Zürich für das Ehepaar mit Fixkosten von 22 228 Franken pro Jahr am teuersten ab.

Tabelle zum Preisvergleich

Eine passende Immobilie wäre in der Stadt Zürich mit einem Medianpreis von 2,35 Millionen Franken zudem rund einen Drittel teurer als in Birmensdorf. Der Haken bei Kilchberg: Der Medianpreis liegt bei 3 Millionen Franken für geeignetes Wohneigentum. Eine passende Immobilie wäre hier somit rund doppelt so teuer wie in Birmensdorf. Die reine Fahrtzeit per öV von Kilchberg nach Schlieren würde sich für Hans Klein im besten Fall auf 36 Minuten belaufen – der höchste Wert im Vergleich. Die tiefen Fixkosten von Kilchberg gilt es somit in Relation zu setzen zu den leicht längeren Pendelzeiten für Hans Klein und die horrenden Immobilienpreise.

Grosses Angebot in Winterthur

Die zweitletzte Tabellenzeile zeigt, wie viele bezahlbare Verkaufsangebote es für die gesuchte Immobilie auf dem Markt gibt. Das Resultat der Suche mit einer Meta-Suchmaschine auf mehreren Immobilienportalen für die günstigste Gemeinde Birmensdorf ist für die Familie Klein ernüchternd: Es gibt für ihr Budget kein einziges Angebot. Vor allem in Winterthur und Baden gibt es für die Familie potenziell bezahlbare Immobilienangebote, wobei Baden mit dem tiefsten Medianpreis im Betrag von 1,25 Millionen Franken heraussticht.

Das Problem: Mit dem Eigenkapital von einer halben Million Franken und dem Nettoeinkommen von «nur» 96 000 Franken wäre für die Kleins auch eine Immobilie im «günstigen» Baden nicht einfach finanzierbar. Der Grund ist die fehlende Tragbarkeit für die Bank. Die Tragbarkeit ist das Verhältnis zwischen den laufenden Kosten für das Wohneigentum und dem Einkommen. Hypothekargeber rechnen in der Regel mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent auf der gesamten Hypothekarschuld, 1 Prozent der gesamten Hypothekarschuld für die Amortisation der zweiten Hypothek und 1 Prozent des Kaufpreises für die Unterhalts- und Nebenkosten.

Als Faustregel gilt, dass die laufenden Kosten einen Drittel des jährlichen Bruttoeinkommens nicht übersteigen dürfen. Gemäss Berechnungen der NZZ kann sich die Familie Klein eine Immobilie im Wert von maximal einer Million Franken leisten, ohne diese Tragbarkeitsregel zu verletzen.

Darlehen von Eltern oder Erbvorbezüge als Lösung

Auch die gegenwärtig zum Verkauf stehende «luxuriöse 4,5-Zimmer-Wohnung mit Blick ins Grüne und grossem Balkon» in Baden kommt für die Familie Klein nicht infrage. Die 4,5-Zimmer-Wohnung mit Baujahr 2015 und 125 Quadratmetern Wohnfläche «lässt zwar keine Wünsche offen», sprengt aber mit 1 265 000 Franken Verkaufspreis das Kaufbudget von rund 1 Million Franken. Es fehlen 265 000 Franken. Hans Klein sagt zum Angebot: «Trotz grossem Sparbatzen sind unsere Optionen wegen des tiefen Einkommens ziemlich beschränkt.»

Er fügt hinzu: «Bei Bedarf könnten wir noch meine Eltern um ein Darlehen beziehungsweise einen Erbvorbezug angehen – oder zur Not unsere Arbeitspensen erhöhen.» Ob sich eine Pensumerhöhung steuerlich lohnt, hängt vom sogenannten Grenzsteuersatz ab. Der Satz drückt aus, wie stark ein zusätzlicher Franken Einkommen besteuert wird. Beträgt der Grenzsteuersatz zum Beispiel 30 Prozent, gehen von 1000 Franken zusätzlichem Einkommen 300 Franken mehr an den Fiskus. Umgekehrt fällt die Steuerrechnung 300 Franken tiefer aus, wenn man 1000 Franken weniger versteuern muss. Je nach Wohnort kann bei hohen Einkommen der Grenzsteuersatz aufgrund der Progression auf über 40 Prozent steigen.

Doch den Bittgang von Hans Klein zu seinen Eltern kann er sich mit einer Suchradius-Ausweitung ersparen: Meta-Immobilien-Suchmaschinen ermöglichen es, mehrere Immobilienportale auf einen Klick nach den Vorgaben der Familie Klein zu durchforsten. Die Suche im Umfeld von 20 Kilometern rund um Birmensdorf zeigt: In Killwangen im Bezirk Baden würde die Familie eine finanzierbare Maisonnettewohnung mit 161 Quadratmetern Wohnfläche und Balkon finden. Der Wermutstropfen hier: Die Fixkosten liegen in dieser Gemeinde mit 21 757 Franken pro Jahr höher als in Birmensdorf. Attraktiv wären die weiterhin kurzen Pendelzeiten.

Für Mittelstandsfamilien wird es schwieriger

Das Beispiel der Familie Klein zeigt: Auch Mittelstandsfamilien mit relativ hohen Vermögen können sich wegen hoher Immobilienpreise kaum noch familientaugliches Wohneigentum leisten. Und die hohen Leerstände in den Zentren machen es nicht einfacher, überhaupt etwas zu finden. Per 1. Juni letzten Jahres hat das Bundesamt für Statistik in der Schweiz 61 496 Leerwohnungen gezählt. Das sind 1,31 Prozent des Gesamtwohnungsbestands, einschliesslich Einfamilienhäusern.

Damit ist die Leerwohnungsziffer innert Jahresfrist um 0,23 Prozentpunkte zurückgegangen. Ein solch deutlicher Rückgang der Leerstandsquote innert Jahresfrist war letztmalig vor 20 Jahren zu beobachten. Doch Kaufen ergibt trotz hohen Preisen und finanziellen Hürden weiterhin Sinn. Robert Weinert, Sprecher des Immobilien-Beratungsunternehmens Wüest Partner in Zürich, sagt: «In Anbetracht des dynamischen Bevölkerungswachstums und des begrenzten Baulands spricht vieles dafür, dass sich die Werte von Wohneigentum trotz gestiegenen Finanzierungskosten weiterhin stabil entwickeln werden.»

Kindertagesstätten mit unterschiedlichsten Preisen

Und wie sieht es mit den Kosten bei Krippen aus? Derzeit zahlt die Familie 145 Franken pro Tag in einer privaten Krippe. Die Kita-Platz-Kosten unterscheiden sich nicht nur regional erheblich, sondern auch je nach finanziellen Verhältnissen der Familie.

Die Studie «So viel kostet ein Kitaplatz in der Schweiz» der Grossbank Credit Suisse von 2021 zeigt: Eltern mit hohen Einkommen zahlen in Bern, Zug und Zürich am meisten für einen Kita-Platz, mit Mediantarifen von 130 Franken beziehungsweise 127 Franken pro Tag. Am anderen Ende der Skala liegen Schaffhausen, Appenzell und St. Gallen mit Tagestarifen rund um 80 Franken. Hans Klein sagt: «Erst wenn wir eine passende Wohnung gefunden haben, kümmere ich mich um die Kosten der Kinderkrippe.» Das bittere Fazit für viele Familien: Zu viele Ausschlussfaktoren können sich Kaufwillige bei der Immobiliensuche schlicht nicht leisten. Zu klein ist das Angebot, zu hoch die Preise.

So vergleichen Sie die Fixkosten von Wohnorten

  • Budget: Die Miete beziehungsweise der Hypozins sollte nicht mehr als ein Drittel des Einkommens ausmachen. Bei der Suche nach einer Wohnung sollten neben den Kreditkosten und den Kosten für Amortisation und Unterhalt auch weitere Kosten berücksichtigt werden (Mobilität, Steuern usw.).

  • Steuern: Prüfen Sie vor einem Umzug mithilfe von kantonalen Online-Steuerrechnern die Steuerbelastung des neuen Wohnorts.

  • Krankenkassenprämien: Unter priminfo.admin.ch/de/praemien finden Sie jedes Jahr die vom Bund publizierten offiziellen Krankenkassenprämien nach Wohngemeinde.

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Wohnungen zum Tiefpreis: Das sind die Schnäppchen-Gemeinden

Appenzell

Die Immobilienpreise in der Schweiz sind weiterhin sehr hoch – doch nicht überall. In der preiswertesten Walliser Gemeinde St. Niklaus kostet eine durchschnittliche Wohnung mit 125 Quadratmetern Fläche nur 433 000 Franken. In welchen Gemeinden der Wohnungskauf noch erschwinglich ist.

Autor: Bernhard Bircher-Suits, Publikation in der NZZ am 26.12.2022

Es ist kaum zu glauben: Höhere Hypothekarzinsen, der Ukraine-Krieg und eine Inflation von rund 3 Prozent haben den gefühlt ewig anhaltenden Preisanstieg im Schweizer Immobilienmarkt bisher kaum gedämpft. So sind die Preise für Häuser und Wohnungen zumindest im dritten Quartal 2022 weiter gestiegen.

Gemäss Studienautoren der Raiffeisenbank Schweiz ist der Hauptgrund für den Preisanstieg das «äusserst knappe Angebot». Der Preisanstieg von Stockwerkeigentum war noch etwas höher als bei Einfamilienhäusern. Gemäss den Analytikern der Bank mussten für Wohnungen im dritten Quartal 1,9 Prozent mehr bezahlt werden als noch im zweiten Quartal. Die Preise für Stockwerkeigentum legten in den letzten vier Quartalen in der Region Bern am stärksten zu. Der Preisanstieg bei den Einfamilienhäusern betrug 1,4 Prozent.

Die Nachfrage nach Wohneigentum habe sich aufgrund der Erwartung anhaltend höherer Finanzierungskosten zwar etwas reduziert, heisst es bei der Bank. Das Angebot bleibe aber derart knapp, dass der Nachfragerückgang von einem extrem hohen Niveau aus noch nicht stark genug sei, um die Preisdynamik im Eigenheimmarkt zu brechen.

Höhere Finanzierungskosten

Die Finanzierungskosten sind in der Tat deutlich gestiegen. Das zeigt zum Beispiel der Zinsindex für Wohnimmobilien der Online-Vergleichsplattform Hypotheke.ch. Kostete eine Hypothek am 23. Dezember 2021 im Durchschnitt noch 1,05 Prozent, waren es ein Jahr später 2,61 Prozent. Konkret heisst das für einen Immobilienkäufer mit einer Hypothek im Umfang von 800 000 Franken: Er zahlt diesen November 12 480 Franken mehr Zins für denselben Kredit.

Doch trotz hohen Immobilienpreisen und steigenden Zinsen träumt die Mehrheit der Mietenden in der Schweiz von den eigenen vier Wänden. 62 Prozent der Schweizer Mieterinnen möchten eine Immobilie kaufen, möglichst auf dem Land. Das zeigt eine im Juni 2022 veröffentlichte Studie des Hypothekenvermittlers Moneypark. Doch das knappe Angebot (58 Prozent) und die hohen Preise (49 Prozent) stehen einem Kauf im Weg.

Abschreckend hohe Preise

Immobilien sind in der Schweiz aber längst ein knappes Luxusgut. Kein Wunder, ist die Wohneigentumsquote in der Schweiz im internationalen Vergleich relativ gering: Nur knapp 40 Prozent aller dauernd bewohnten Wohnungen werden von ihren Eigentümern selbst bewohnt. Das ist der geringste Anteil unter allen europäischen Ländern.

Hohe Preise sind ein Grund dafür. Laut dem Immobiliendienstleistungs-Unternehmen Wüest Partner haben sich die Preise für Liegenschaften seit dem Jahr 2000 im Durchschnitt mehr als verdoppelt. In den meisten Regionen des Landes muss man mindestens 1 Million Franken in die Hand nehmen, um sich ein Haus mit Garten leisten zu können.

«Fehlendes Bauland ist einer der wesentlichen Treiber hinter den starken Preisanstiegen während der letzten Jahre», sagt Robert Weinert, Leiter Immo-Monitoring bei Wüest Partner. Laut dem Bundesamt für Statistik ist der Durchschnittslohn im gleichen Zeitraum jedoch nur um einen Viertel gestiegen. Gemäss einer Swiss-Life-Untersuchung verfügt nur rund ein Drittel aller Schweizer Haushalte über das nötige Geld, um sich ein durchschnittliches Einfamilienhaus kaufen zu können.

Ohne Geld von den Eltern bleibt ein Haus oder eine Wohnung für junge Erwachsene meist ein Wunschtraum. Doch in welchen Schweizer Gemeinden gibt es überhaupt noch Wohnungen zu Schnäppchenpreisen?

Schnäppchen gibt es nur an B-Lagen

Wer auf der Suche nach einer bezahlbaren Eigentumswohnung ist, hat sich in den meisten Fällen bereits auf eine Region festgelegt, in der das Traumobjekt zu finden sein soll. Dass es regionale Kaufpreisunterschiede gibt, ist den meisten bewusst. «In der jüngsten Vergangenheit sind diese regionalen Unterschiede immer mehr ausgenutzt worden. Denn in Zeiten des vermehrten Remote Working spielt die Nähe zu den Arbeitsplatzzentren eine weniger starke Rolle», sagt Weinert.

Wie stark diese Unterschiede allerdings ausfallen, hat diese Zeitung in Zusammenarbeit mit Wüest Partner anhand von Inseraten untersucht. Die Leitfrage lautete: In welchen Gemeinden der Schweiz findet man im Schnitt noch die tiefsten Preise für eine durchschnittliche Eigentumswohnung mit 125 Quadratmetern Wohnfläche? Wüest Partner hat dazu pro Schweizer Kanton die fünf Gemeinden mit den günstigsten mittleren Angebotspreisen für Eigentumswohnungen ermittelt. Ausgeschlossen wurden Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern.

Die Tabelle zeigt: Wer zum Beispiel im Kanton Zürich auf Schnäppchenjagd geht, sollte sich in den Gemeinden Elgg, Fischenthal, Stammheim, Wila und Wald umsehen. Hier erhält man die durchschnittliche Eigentumswohnung für 713 000 (Fischenthal) bis 790 000 Franken (Stammheim). Zum Vergleich: In der «günstigsten» Zuger Gemeinde Menzingen kostet eine vergleichbare Wohnung bereits 1 154 000 Franken.

Wer somit nicht zwingend in einer steuergünstigen Zuger Gemeinde Wohneigentum kaufen will, spart mit einem Umzug in eine vergleichsweise günstige Zürcher Gemeinde viel Geld: Im Vergleich Fischenthal zu Menzingen sind es immerhin 441 000 Franken Ersparnis. Die Schattenseite: Die Steuern sind in Fischenthal deutlich höher.

Neben dem Kaufpreis gilt es vor einem Immobilienkauf auch andere Dinge wie Steuern, Mobilitätskosten, Krankenkassenprämien sowie allfällige Ausgaben für die Kinderbetreuung im Auge zu behalten. Neben weiteren wichtigen Selektionskriterien wie Wohnkosten und -lage, Infrastruktur, Verfügbarkeit passender Wohnobjekte und persönlichen Kontakten vor Ort spielen standortabhängige Kostenfaktoren eine wichtige Rolle.

Wer verschiedene Gemeinden und ihre Immobilienpreise vergleicht, sollte also nicht nur den Kaufpreis einer Traumimmobilie betrachten, sondern auch andere wichtige Fixkosten, die sich nach dem Kauf während Jahren im Portemonnaie bemerkbar machen.

Tipps für die Wohnortsuche und die Immobilienfinanzierung

  • Gemeinden vergleichen: Standort und Lage sind zwei wichtige Faktoren beim Kauf von Wohneigentum. Die Statistik-Website Gemeindeverzeichnis.ch bietet eine praktische Vergleichsfunktion. Auf Gemeindeverzeichnis.ch werden Informationen zu den Schweizer Gemeinden wie Bevölkerungsangaben, Demografie sowie geografische und wirtschaftliche Eckdaten und Wähleranteilen aus mehreren Quellen zusammengeführt. Es können bis zu drei Gemeinden nebeneinander angezeigt werden.

  • Finanzierung und Wohnbudget: Eine Hypothek ist dann tragbar, wenn die gesamten Wohnkosten nicht mehr als einen Drittel des Einkommens betragen. Zudem sollte man mindestens einen Fünftel Eigenkapital in die Finanzierung einbringen. Bei der Suche nach einer Eigentumswohnung sollten neben den reinen Kaufkosten aber auch weitere Fixkosten berücksichtigt werden – wie beispielsweise die Mobilitätskosten oder die Steuerbelastung.

  • Suchradius vergrössern: Wohnungen in Regionen, die nur wenige Kilometer auseinanderliegen, haben teilweise ein komplett anderes Preisniveau. Vergleichen Sie daher auch die Immobilienpreise zwischen Nachbargemeinden und in einem Radius von 5 Kilometern.

  • Wohnfläche prüfen: Eine Wohnung mit 2,5 Zimmern kann mit mehr Quadratmetern ausgestattet sein als eine 3,5-Zimmer-Wohnung. Deshalb sind in Verkaufsinseraten auch die Wohnflächeangaben und nicht nur die Zimmerzahl zu prüfen.

  • Steuern: Vor einem Umzug ist mithilfe eines Steuerrechners die Steuerbelastung des neuen Wohnorts im Detail zu prüfen. Gut zu wissen: Im kantonalen Steuerbelastungs-Ranking steht als attraktivster Kanton Zug an der Spitze. Auf den folgenden Plätzen liegen Nidwalden und der Kanton Uri.

  • Krankenkassenprämien: Unter priminfo.admin.ch/de/praemien findet man die vom Bund publizierten offiziellen Krankenkassenprämien nach Wohngemeinde. Hier erfährt man somit die zukünftigen Prämienkosten am neuen Wohnort.

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Den teuersten Fehler machte ein Lotto-Gewinner

Olivier Weber ist Präsident der Prüfungskommission der eidgenössisch diplomierten Steuerexperten. Er zeigt auf, wie Steuerpflichtige Fehler vermeiden und ihre Steuern legal optimieren – und was die Schweiz von Estland lernen kann.

Autor: Bernhard Bircher-Suits, Publikation in der NZZ am 09.01.2023

Herr Weber, ist das Schweizer Steuersystem so kompliziert, dass die Steuerpflichtigen einen Steuerexperten brauchen?

Das Steuersystem ist schon sehr kompliziert. Die Steuerbehörden geben sich aber Mühe, den Steuerpflichtigen digitale und analoge Hilfen zur Verfügung zu stellen. Steuerpflichtige erledigen in der Regel das Ausfüllen und Einreichen der Steuererklärung ohne Steuerexperten. Mehr wird von Steuerpflichtigen auch nicht verlangt. Das ist auch gut so.

Woran scheitern die angehenden Steuerexperten selbst bei den Prüfungen?

An den zunehmend komplexen Sachverhalten, die steuerlich zu beurteilen sind, und an der Komplexität des Steuersystems. Meist fehlt es den Kandidatinnen und Kandidaten am vernetzten Denken, um die richtigen Antworten zu finden. Die Prüfung wird zudem berufsbegleitend abgelegt. Das ist für viele Prüflinge eine zusätzliche Herausforderung.

Wie wählt man eine geeignete Person für seine Steuergeschäfte aus?

Es lohnt sich, eine regional verankerte Steuerberatungsperson zu berücksichtigen. Am besten wählt man eine diplomierte Steuerexpertin oder einen diplomierten Steuerexperten. Bei diesen ist die Qualität gewährleistet.

Mit welchen Stundenansätzen muss ein privater Steuerpflichtiger rechnen?

Die Stundensätze für die Erstellung einer Steuererklärung liegen zwischen 180 und 360 Franken.

Jede zehnte Person in der Schweiz hat Steuerschulden. Wie kann eine Privatperson verhindern, dass sie Steuerschulden anhäuft?

Leider kennt die Schweiz keine Lohnquellensteuer für alle Steuerpflichtigen. Darum ist der Lohn häufig schon ausgegeben, bevor die Steuerrechnung eintrifft. Um Steuerschulden zu vermeiden, sollte ein Teil des Lohnes auf die Seite gelegt werden. Aber die nötige Ausgabendisziplin haben längst nicht alle.

In welchen Steuerbereichen passieren am häufigsten Fehler?

Steuerpflichtige Privatpersonen können unter Umständen vergessen, gewisse Einkommen zu deklarieren. Viele Leserinnen und Leser dürften jetzt entsetzt sein, weil man Einkommen doch nicht vergessen kann. Wir sollten uns aber bewusst sein, dass es Steuerpflichtige gibt, die ihre administrativen Aufgaben nur mit grosser Mühe bewältigen können. Geht ein Einkommen vergessen, eröffnet die Steuerbehörde ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Selbst bei unbeabsichtigten Fehlern gilt Nulltoleranz. Im Unternehmenssteuerrecht kommen Fehler dann vor, wenn unternehmerische Entscheidungen ohne Rücksicht auf die Steuerkonsequenzen getroffen werden. Es kann sehr schwierig sein, Steuerkonsequenzen in Unternehmen abzuschätzen.

Was sind aus Ihrer Erfahrung als Steuerexperte die klassischen Fehler beim Ausfüllen der privaten Steuererklärung?

Mit den heutigen Steuererklärungsformularen gehen die zulässigen Abzüge kaum mehr vergessen. Der klassische Fehler liegt eher darin, Einkommen nicht vollständig zu deklarieren. Häufig sehen wir, dass Ersatzeinkommen wie zum Beispiel Mutterschaftsentschädigungen oder Taggelder nicht deklariert werden. Dann kommt es zu einem teuren Nach- und Strafsteuerverfahren. Bei den Abzügen werden häufig Weiterbildungs- und Krankheitskosten nicht sauber aufgelistet und belegt. Ein weiterer grober Fehler ist, dass Steuerpflichtige gar keine Steuererklärung einreichen. In solchen Fällen sind die Steuerämter gezwungen, die Steuern nach pflichtgemässem Ermessen einzuschätzen.

Was war der teuerste Fehler eines Steuerpflichtigen?

Den teuersten Fehler, den ich während meiner Tätigkeit erlebt habe, machte ein Lotto-Gewinner. Er hatte mehrere hunderttausend Franken gewonnen. Danach ging er ohne Steuererklärung und ohne Abmeldung beim Einwohneramt auf Weltreise. Nach seiner Rückkehr war er mit einem Straf- und Nachsteuerverfahren konfrontiert. Er schuldete dem Steueramt Nachsteuern in der Höhe eines Drittels des Lottogewinnes und Strafsteuern in derselben Höhe. Da er die 35-prozentige Verrechnungssteuer nicht zurückfordern konnte, verblieb ihm nichts vom Lottogewinn. Zudem hatte er einen beträchtlichen Betrag des Lottogewinnes bereits ausgegeben.

Welche Fehler sind Ihnen in Ihrer eigenen Steuererklärung schon passiert?

Ich habe vergessen, den Doppelverdiener-Abzug geltend zu machen. Das Steueramt hat ihn dann von sich aus gewährt und in der Veranlagung eine Änderung zu meinen Gunsten vorgenommen.

In welchen Steuerbereichen wird aus Ihrer Erfahrung im Steuerrecht am häufigsten vor Gericht gestritten?

In Gerichtsfällen geht es am häufigsten um Unternehmenssteuerrecht. Bei privaten Steuerpflichtigen sind Streitigkeiten dann häufig, wenn der Steuerpflichtige von Anfang an etwas klar falsch gemacht hat, wie zum Beispiel keine Steuererklärung eingereicht hat. Private Steuerpflichtige können häufig ihre Fehler nicht akzeptieren und ziehen zumeist erfolglos vor Gericht.

Der Normalbürger erhält gelegentlich den Eindruck, dass die Topverdiener in der Schweiz Steuerschlupflöcher ausnützen und Normalbürger die «ehrlichen Dummen» sind. Was halten Sie von dieser Einschätzung?

Dieser Eindruck täuscht. Die Steuerprogression ist erheblich. Ein gutverdienender Normalbürger mit einem steuerbaren Einkommen von 100 000 Franken bezahlt in der Stadt Zürich 16 623 Franken Steuern – rund 17 Prozent seines Lohns. Ein Topverdiener mit einem steuerbaren Einkommen von 1 Million Franken zahlt hingegen 377 540 Franken Steuern – das sind rund 38 Prozent des Einkommens. Kaum bekannt ist, dass die früheren Steuerschlupflöcher für Topverdiener in den letzten zwanzig Jahren geschlossen wurden. Will ein Topverdiener weniger Steuern zahlen, dann bleibt ihm nur die Verlegung seines Wohnsitzes in einen Kanton oder eine Gemeinde mit tiefen Steuern.

Welche Länder in Europa sind aus Ihrer Sicht vorbildlich beim Steuersystem und warum?

Gemäss Jahresbericht 2021 der Europäischen Kommission über die Steuerpolitik ist der Zeitaufwand für das Erstellen der Steuererklärung in Estland am geringsten. Estland hat sehr früh auf die Digitalisierung des Staates gesetzt und erntet nun die Früchte dieser Politik. In einer Rangliste der Europäischen Kommission liegt Estland bei der Digitalisierung des Staatswesens an der Spitze. Die Schweiz ist auf Rang 28 von 35, vor Griechenland, Zypern, Serbien, Albanien, Rumänien, Montenegro und Nordmazedonien.

Wie steht die Schweiz im internationalen Vergleich da im Bereich Steuerhinterziehung?

Die Schweiz hat mit der straflosen Selbstanzeige wohl das klügste System der Welt. Einmal im Leben hat jeder das Recht auf eine straflose Selbstanzeige. Wenn jemand Schwarzgeld hat, kann er dieses einmalig offenlegen. Er bezahlt die Nachsteuer, das heisst die Steuer, die er ohnehin geschuldet hätte, aber keine Strafe. Seit der Einführung der straflosen Selbstanzeige im Jahr 2010 wurden unzählige Selbstanzeigen eingereicht, so dass die Schweiz im internationalen Vergleich sehr gut dasteht. Die Tatsache, dass es in der Schweiz sehr viel weniger Schwarzgeld gibt als früher, zeigt sich an den seit Jahren sinkenden Fallzahlen von straflosen Selbstanzeigen.

Welche legalen Steuersenkungsmethoden sollte jeder Steuerpflichtige nutzen?

Einzahlungen in die Säule 3a und die Pensionskasse sind für alle Steuerpflichtigen interessante Steuersparmöglichkeiten. Zudem sollten Steuerpflichtige die Progression vermeiden, indem sie versuchen, regelmässige Einkommen zu erzielen statt einmalige hohe Einkommen. Gleiches gilt für die Abzüge, welche ebenfalls besser regelmässig anfallen sollten. Sinnvoll sind auch Investitionen in Wertschriften, von denen ein steuerfreier Kapitalgewinn zu erwarten ist.

Wo sehen Sie bei den Steuerbehörden noch Optimierungspotenzial?

Die Steuerbehörden sollten noch stärker in die Digitalisierung und in die Ausbildung ihrer Mitarbeitenden investieren. Da unser Steuersystem komplex ist, brauchen die Steuerpflichtigen digitale Hilfen, und die Berater der Steuerpflichtigen brauchen kompetente Ansprechpartner aufseiten der Steuerbehörden.

Welche nationalen Steuer-Baustellen müssten Ihrer Meinung nach vom nationalen Parlament rasch angegangen werden?

Das Parlament sollte sich auf die OECD-Mindestbesteuerung und deren Umsetzung in der Schweiz konzentrieren. Wenn die Schweiz hier nichts tut oder das Projekt nicht rechtzeitig in Kraft tritt, dann graben andere Staaten der Schweiz Steuern ab. Sobald die OECD-Mindestbesteuerung politisch durch ist, wäre es an der Zeit, die Individualbesteuerung einzuführen.

Und zum Schluss noch zwei private Fragen: In welche Schweizer Steuerhölle möchten Sie nie umziehen?

Nach Bure im Kanton Jura.

Was wäre für Sie ein attraktives Steuerparadies?

In der Schweiz kommt für mich zum Leben nur die Stadt Zürich infrage. Sie ist wahrlich kein Steuerparadies. Hätte ich viel Vermögen, würde ich wohl London als Wohnsitz wählen. Dort profitieren vermögende Privatpersonen von einer sehr tiefen Besteuerung.

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In der Schweiz gilt ein neues Erbrecht – das sind die wichtigsten Änderungen

Unterschrift

Seit dem 1. Januar 2023 ist eine neue Fassung des Schweizer Erbrechts in Kraft. Erblasserinnen und Erblasser erhalten damit mehr Spielraum, um über ihren Nachlass zu bestimmen.

Autoren: Bernhard Bircher-Suits & Agustina Balmer, Publikation in der NZZ am 03.01.2023

In der Schweiz haben in den letzten drei Jahren die Scheidungen zugenommen. Das belegen Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BfS). Die Zahl stieg von insgesamt 16 885 Scheidungen im Jahr 2019 auf 17 159 im Corona-Jahr 2021. Weit verbreitet sind in der Schweiz nicht nur Scheidungen, sondern auch Zweit- und Drittehen sowie das Zusammenleben ohne Trauschein. Gemäss BfS leben bereits in jedem zehnten Schweizer Haushalt die Eltern im Konkubinat zusammen. Doch obwohl die «wilde Ehe» zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, ist diese Form des Zusammenlebens rechtlich nach wie vor nicht explizit geregelt. Fakt ist: Im Konkubinat hat die Partnerin oder der Partner ohne entsprechendes Testament keinerlei Erbanspruch.

Das Parlament hat darum Ende 2020 die Revision des über hundert Jahre alten Erbrechts verabschiedet. Heutige Beziehungs- und Lebensformen sollen besser berücksichtigt werden. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 19. Mai 2021 entschieden, das revidierte Erbrecht auf den 1. Januar 2023 in Kraft zu setzen.

Doch welche Gesetzesregelung gilt ab wann? Dabei ist der Zeitpunkt des Todes entscheidend. Wenn eine Person vor dem 1. Januar 2023 gestorben ist, gilt das bisherige Erbrecht. Wenn sie aber am oder nach dem 1. Januar 2023 stirbt, gilt das revidierte Erbrecht. Der Zeitpunkt der Nachlassregelung spielt dabei keine Rolle. Bisherige Erbverträge und Testamente bleiben auch im neuen Jahr weiterhin gültig.

Was bleibt gleich, und was ändert sich?

Im Erbrecht sind gesetzliche Pflichtteile festgehalten, auf die die Ehepartnerin bzw. der Ehepartner und die Nachkommen sowie die Eltern des Verstorbenen Anspruch haben. Konkubinatspartnerinnen und -partner haben hingegen keinen gesetzlichen Anspruch auf das Erbe. Aufgrund der Pflichtteile ist der Teil des Erbes, über den die Hinterlassenden frei verfügen können, eingeschränkt.

Diese Anteile – und somit auch die frei verfügbare Quote – werden nun aber neu verteilt. Der Pflichtteil der Eltern entfällt mit der Revision ganz (siehe Grafiken unten). Jener des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin und des eingetragenen Partners bleibt dagegen unverändert.

Konkubinatspartnerinnen und -partner sowie Stiefkinder können dank der neuen Zuteilung der frei verfügbaren Quote einfacher begünstigt werden.

Pflichtteil für Nachkommen
Pflichtteil mit Nachkommen und Ehepartner
Pflichtteil Eltern
Hilfswerke können einfach begünstigt werden

Die drei Beispiele zeigen: Eltern und Kinder haben im neuen Erbrecht tiefere Pflichtteile, und die frei verfügbare Quote steigt. Dank höherer freier Quote können in Zukunft auch gemeinnützige Hilfswerke stärker berücksichtigt werden.

Fabian Füllemann, Rechtsanwalt aus Winterthur, sagt dazu: «Meiner Meinung nach sollten Erbschaftshinterlassende Hilfswerke im Testament besser nicht als Erben einsetzen, sondern ihnen ein Legat vermachen. Erben haften nämlich auch für die Schulden der Erbschaftshinterlassenden.» Durch ein Legat werden Begünstigte nicht Teil der Erbgemeinschaft. Sie erhalten einen bestimmten Gegenstand, einen festen Betrag oder einen Prozentanteil des Erbes.

Kein Pflichtteil bei Scheidungsverfahren

Eine weitere neue Regelung gilt bei Ehepaaren in Scheidung: Bisher hatte die Ehepartnerin bzw. der Ehepartner Anspruch auf den Pflichtteil, bis die Scheidung rechtskräftig ist. Seit dem 1. Januar 2023 gilt: Wenn eine Ehepartnerin oder ein Ehepartner während eines laufenden Scheidungsverfahrens stirbt, wird der Pflichtteilschutz aufgehoben. Neu kann mit einem Testament die Ehepartnerin oder der Ehepartner bei einem rechtshängigen Scheidungsverfahren vollständig enterbt werden.

Schenkungen sind anfechtbar

Das Recht wird auch bei Schenkungen nach Abschluss eines Erbvertrags angepasst. Bisher galt nach Abschluss eines Erbvertrages Schenkungsfreiheit. Das heisst: Schenkungen, die an Dritte gemacht werden, nachdem ein Erbvertrag abgeschlossen worden ist, sind grundsätzlich zulässig. Neu gilt im Gesetz das Schenkungsverbot: Alle Schenkungen nach Abschluss eines Erbvertrages sind grundsätzlich anfechtbar – eine Ausnahme sind Gelegenheitsgeschenke. Wenn Schenkungen aber trotzdem zulässig sein sollen, muss es die Person, die die Erbschaft hinterlässt, im Erbvertrag explizit erwähnen.

Müssen Testament und Erbvertrag angepasst werden?

Die Erbrechtsrevision ist eine gute Gelegenheit, um Erbverträge und Testamente zu überprüfen. Der Rechtsanwalt Fabian Füllemann sagt: «Wenn bereits ein Testament oder ein Erbvertrag errichtet wurde, sollte man überprüfen, ob sich diese weiterhin wie geplant umsetzen lassen. Generell ist es ratsam, diese Gesetzesrevision als Anlass zu nutzen, sich frühzeitig mit dem eigenen Nachlass auseinanderzusetzen.»

Sarah Wagner, Nachlassexpertin beim VZ Vermögenszentrum in Zürich, sagt dazu: «Grundsätzlich werden sich wohl vermehrt im Hinblick auf die revidierten Bestimmungen Auslegungsfragen ergeben. Als Beispiel: Wollte der Erblasser, dass seinem Kind effektiv 3/8 des Nachlasses zukommen?»

Um solche Anfechtungen zu vermeiden, sollte man beim Verfassen von erbrechtlichen Regelungen genau auf Formulierungen achten. Sarah Wagner empfiehlt: «Erbschaftshinterlassende sollten bestehende erbrechtliche Regelungen, in welchen fixe Quoten zugewiesen werden, überprüfen.» Aufpassen sollte man zudem bei Ausdrücken wie: «Meine Ehefrau erhält die frei verfügbare Quote und mein Sohn den Pflichtteil.» Klarer wäre eine Formulierung wie: «Meine Ehefrau möchte ich so weit wie möglich begünstigen und meinen Sohn mit dem Pflichtteil, der zum Zeitpunkt meines Todes gilt.»

Tipps zum Testament

Formvorschriften und Testamentsarten: Es gibt drei verschiedene Arten, ein gültiges Testament zu verfassen: Das eigenhändige Testament muss von der erbschaftshinterlassenden Person selber von Anfang bis Schluss von Hand geschrieben sein und braucht die Angabe von Jahr, Monat, Tag der Erstellung und die eigenhändige Unterschrift.

Die sicherste Art ist die öffentliche Beurkundung: Die Erblasserin bzw. der Erblasser begibt sich zu einer Urkundsperson und teilt dort unter Mitwirkung von zwei Zeugen ihren bzw. seinen Willen mit. Dieser wird auf einer Urkunde festgehalten, datiert und mit einer Unterschrift der Beteiligten bestätigt. Die dritte Art ist lediglich eine Notlösung, dabei wird der letzte Wille vor zwei Zeugen mündlich mitgeteilt.

Inhalt: Inhaltlich sind Erbschaftshinterlassende durch die Pflichtteile eingeschränkt. Die Pflichtteile können nur in zwei Fällen unterschritten werden: durch eine Enterbung aus besonderen und schwerwiegenden Gründen oder durch Abschluss eines Erbvertrags mit der pflichtteilberechtigten Person, die ihre Zustimmung zur Unterschreitung gibt. Wünsche können ebenfalls im Testament aufgenommen werden. Diese sind jedoch ausschliesslich Wünsche und rechtlich nicht durchsetzbar.

Testament regelmässig prüfen: Das Testament sollte alle drei bis fünf Jahre überprüft werden. Beziehungen und Meinungen verändern sich mit der Zeit. Es sollte immer dem aktuellen Willen entsprechen.

Korrekturen im Testament: Jede Korrektur in einem Testament sollte mit Datum und Unterschrift versehen werden. Vorsicht: Bei grösseren Korrekturen lohnt es sich, das Testament neu zu schreiben. Somit werden falsche Interpretationen vermieden. Wenn der Erblasser oder die Erblasserin das Testament neu schreibt, muss festgehalten werden, dass frühere Testamente aufgehoben werden.

Widerruf: Erbschaftshinterlassende können das Testament jederzeit widerrufen. Das kann auf drei Arten geschehen: Sie können formal erklären, dass das Testament nicht mehr gelten soll. Dabei müssen die Formvorschriften eingehalten werden. Eine weitere Möglichkeit ist, ein neues Testament zu verfassen. Dabei verliert das alte Testament an Gültigkeit. Die letzte Variante ist, das Testament zu vernichten. Dafür kann man es zerreissen, durchstreichen, ausradieren, verbrennen oder wegwerfen.

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In Deutschland leben Schweizer Rentner zum Tiefpreis

Immer mehr Schweizer Rentner verbringen ihren Ruhestand in Deutschland. Die Wohn- und Lebenshaltungskosten sind dort tiefer, der Franken ist stark – und es gibt keine Vermögenssteuer. Je nach Konstellation lohnt sich der Umzug auch für Erwerbstätige.

Autor: Bernhard Bircher-Suits
30.11.2022

Gemäss der langjährigen Untersuchung «Einkaufstourismus» der Universität St. Gallen geht dieser langsam zurück. Der Schweizer Detailhandel verlor im Jahr 2017 durch den Einkaufstourismus 9 Milliarden Franken – im laufenden Jahr sind es noch 8,43 Milliarden. Zwar legte der Online-Einkaufstourismus deutlich zu, jedoch war der Rückgang in stationären Geschäften im Ausland deutlich grösser. Pro Einkauf geben Schweizerinnen und Schweizer im Schnitt 216 Franken in ausländischen Geschäften aus. Das sind durchschnittlich 30 Franken weniger als noch vor fünf Jahren.

Auswanderungsdestination Deutschland

Viele Schweizerinnen und Schweizer kaufen immer noch gerne in Deutschland ein, auch weil es dank dem starken Franken nun noch günstiger ist. Tausende ziehen gleich ganz ins Nachbarland. Gemäss dem Bundesamt für Statistik (BfS) ist Deutschland für Schweizer nach Frankreich die beliebteste Auswanderungsdestination. Im Jahr 2021 lebten 96 600 Schweizerinnen und Schweizer in Deutschland.

Wie die Auslandschweizer-Statistik des BfS zeigt, wohnten Ende 2021 rund 20 000 Schweizer Rentenbezüger in Deutschland – im Jahr 2019 waren es noch 19 000. Doch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen. Sie umfassen nicht zwingend alle Schweizer Staatsangehörigen. Schliesslich lassen sich nicht alle als Auslandschweizerin beziehungsweise Auslandschweizer in der Schweiz registrieren. Die offizielle Schweizer Statistik ist daher ungenau.

Kredit für Hausbau in Deutschland: «Möglich, aber schwierig»

Die pensionierte Logopädin Ursula und der ehemalige Unternehmer Hans-Ulrich K. sind ein Beispiel für Schweizer, die in Deutschland ihren Lebensabend verbringen. Das Ehepaar kaufte im Jahr 2012 in der deutschen Grenzgemeinde Dettighofen 1250 Quadratmeter Bauland für 95 000 Euro. Damals waren das 152 000 Franken. Hier liessen sie ein Haus für rund 1 Million Euro bauen.

Hans-Ulrich K. sagt: «In unserem früheren Wohnort Boppelsen (ZH) lag der Quadratmeterpreis damals bei 1200 Franken. In Dettighofen zahlten wir umgerechnet 122 Franken.» Schweizern ist es erlaubt, in EU-Staaten Immobilien zu erwerben. Doch Schweizer Banken finanzieren keine Immobilien im Ausland. Das Ehepaar musste sein Haus in Boppelsen daher verkaufen, um das neue Heim in Dettighofen zu finanzieren. Nach Abzug der Hypothek blieben vom Verkaufsertrag von 1,35 Millionen Franken noch 630 000 Franken.

Mit dem ausbezahlten Pensionskassenkapital und dem Verkauf von Land brachten sie fast genug Eigenmittel für den Hausbau zusammen. «Da wir ins Ausland zogen, erhielten wir keinen Steueraufschub für den erneuten Kauf von selbstbewohntem Wohneigentum», sagt K. Sie mussten der Gemeinde Boppelsen daher 100 000 Franken Grundstückgewinnsteuern abliefern.

Für den Hausbau erhielten sie ein Darlehen von 120 000 Euro von der deutschen Volksbank Hochrhein – keine Selbstverständlichkeit. Deutsche Kreditgeber sind zurückhaltend mit der Vergabe von Krediten an Schweizer Rentenbezüger.

Im Juli 2014 zogen Hans-Ulrich K. und Ursula K. ins fertige Haus ein. Dettighofen hat 1157 Einwohner, ein paar Dutzend davon haben einen Schweizer Pass. Nach der amtlichen Prüfung seiner Finanzen und Versicherungen erhielt das Ehepaar K. eine Aufenthaltsbewilligung für fünf Jahre. Hans-Ulrich K. erhält seit 2010 eine AHV-Rente. Auslandschweizer haben indessen keinen Anspruch auf weitere Leistungen wie Hilflosenentschädigung, Hilfsmittel oder Ergänzungsleistungen.

Die AHV-Rente von Herrn und Frau K. beträgt 3550 Franken. Dazu kommen 1500 Franken Pensionskassenrente. In der Schweiz würden sie mit rund 5000 Franken pro Monat «nicht weit kommen», sagt er. In Deutschland hingegen kommen sie mit den umgerechnet 4500 Euro pro Monat «gut über die Runden». Dies auch deshalb, weil die Lebenshaltungskosten dort deutlich geringer sind als in der Schweiz. Zum Vergleich: Eine Durchschnittsrente für ein deutsches Rentnerpaar beträgt nur rund 2200 Euro pro Monat.

Krankenversicherung bleibt in der Schweiz

Schweizer Rentenbezügerinnen und -bezüger, die nur von der Schweiz eine Rente beziehen und in die EU übersiedeln, bleiben grundsätzlich obligatorisch bei der Krankenkasse in der Schweiz gegen Unfall und Krankheit versichert. Sie können sich entweder in Deutschland oder in der Schweiz behandeln lassen.

Die Schweizer Unternehmerin und Grenzgängerin Sonja Jasper-Venema (53) lebt ebenfalls in der deutschen Grenzgemeinde Dettighofen. «Wir haben als Krankenkasse die Sympany und das sogenannte Grenzgänger-Modell. Das heisst: Wir können sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland zum Arzt», sagt sie. «Unser Tarif scheint günstiger zu sein, als wenn wir in Zürich wohnen würden.» In der Schweiz würde sie jedoch auch Selbstbehalt und Franchise zahlen. Wenn sie in Deutschland zum Arzt gehe, müsse sie je nach Arzt noch eine Zuzahlung leisten – wie die Deutschen auch.

Steuer auf Eigenmietwert und Vermögenssteuer entfallen

Mit einem definitiven Wegzug aus der Schweiz werden das Einkommen und das Vermögen im Ausland steuerpflichtig. Zwischen der Schweiz und jedem EU-Land be­stehen Doppelbesteuerungsabkommen. Die Besteuerung richtet sich nach dem jeweiligen Abkommen. Worüber sich Rentner wie auch Berufstätige freuen: In Deutschland muss man auf das eigene Haus keinen Eigenmietwert als fiktives Einkommen versteuern. Den Zins von Herrn und Frau K. für ihre restlichen Hypothekarschulden von 70 000 Euro kann das Paar umgekehrt nicht vom steuerbaren Einkommen abziehen. Deutschland kennt keine Vermögenssteuer mehr. Sie müssen also den Wert ihres Hauses nicht versteuern.

Die Unternehmerin Sonja Jasper-Venema lebt seit 1997 in Dettighofen, 500 Meter von der Schweizer Grenze entfernt. Ihr verstorbener Ehemann war deutscher Staatsbürger. Jasper hat einen Schweizer Pass. Ihre zwei Söhne, 17 und 20 Jahre alt, sind Doppelbürger. Ihre Entscheidung, nach Deutschland zu ziehen, traf sie gemeinsam mit ihrem Ehemann. «Hier konnten wir uns ein Haus mit Umschwung leisten.» Jasper-Venema betreibt eine Kommanditgesellschaft mit Steuersitz in Zürich. Sie sagt: «Steuerlich ist die Kommanditgesellschaft interessant, weil mein gesamtes Einkommen in Zürich versteuert wird. Bei einer AG oder GmbH hätte ich einen Lohnausweis, würde in der Schweiz Quellensteuer zahlen und wäre in Deutschland voll einkommenssteuerpflichtig. Mit dem höheren Steuersatz in Deutschland würde ich deutlich mehr bezahlen.»

In Deutschland gebe es zudem keine Vermögenssteuer, sagt Jasper-Venema. In der Schweiz müsse sie jedoch das Haus und das Vermögen deklarieren und versteuern. «Ich mache eine Steuererklärung in Zürich und eine separat für Deutschland. In Deutschland muss ich aber die Einnahmen aus der Photovoltaikanlage auf meinem Haus deklarieren. Ich muss auch Pensionskassen-Einkäufe und Einzahlungen in die dritte Säule in Deutschland deklarieren.»

Wie sieht es beim Ehepaar K. aus? Sie zahlen mit rund 8000 Euro Steuern pro Jahr doppelt so viel wie früher im steuergünstigen Boppelsen. Schweizer AHV- und Pensionskassenrenten werden in Deutschland zwar nicht zu 100 Prozent besteuert. Bei Herrn und Frau K. unterliegen 60 Prozent der Einkommenssteuer. Der Umzug hat sich für das Ehepaar trotzdem finanziell gelohnt. Hans-Ulrich K. sagt rückblickend: «Wir würden wieder nach Deutschland ziehen. Schweizer Rentenbezügern empfehlen wir eine Ansiedlung in der Grenzregion. Hier ticken die Leute etwa gleich wie die Schweizer.» Egal ob Rentenbezüger oder Werktätige, alle profitieren von den tieferen Lebenshaltungskosten. Wer als Angestellter jedoch in der Schweiz gut verdient, wird in Deutschland mit hohen Einkommenssteuern belastet.

Umzug nach Deutschland: Das sollten Auswanderungswillige wissen

Aufenthaltsgenehmigung: In EU-Staaten erhalten Schweizer Rentenbezüger eine Aufenthaltserlaubnis für mindestens fünf Jahre. Sie müssen nachweisen, dass sie über genügend Mittel verfügen und keine Sozialhilfe beanspruchen. Zudem benötigen sie einen Krankenversicherungsschutz.

Lebenshaltungskosten: Tiefe Preise und der starke Franken machen das Leben in Deutschland attraktiv. Wechselkursverhältnisse können sich aber ändern.

AHV und Pensionskasse: Für die Auszahlung von AHV/IV-Renten ins Ausland ist die Schweizerische Ausgleichskasse beziehungsweise die IV-Stelle für Versicherte im Ausland zuständig. Ein AHV-Leistungsbezüger kann seine Rente auf ein Konto in der Schweiz oder im Ausland auszahlen lassen. Pensionskassen verlangen meist ein Schweizer Konto.

Versicherungen: Einige Schweizer Krankenkassen bieten eine Krankenversicherung für Personen an, die in einem EU-/Efta-Staat wohnen. Eine Übersicht über diese Prämien bietet das Vergleichsportal Priminfo.ch unter «Prämien EU/Efta». Weitere Informationen zum Thema Krankenversicherung in Deutschland gibt es auf den Websites kvg.org sowie dvka.de.

Steuern: Auf Renten- und Kapitalbezüge der Pensionskasse erhebt die Schweiz in der Regel eine Quellensteuer. Dasselbe gilt für Freizügigkeitsguthaben und Guthaben der dritten Säule. Nach Deutschland ­ausgewanderte Schweizer können die Quellensteuer dank Doppelbesteuerungsabkommen zurückfordern.

Nachlass: Wer im Ausland lebt und dort stirbt, unterliegt normalerweise auch dem dortigen Erbrecht. Schweizer Bürger, die in einem EU-Land leben, können aber testamentarisch verfügen, dass ihr Nachlass nach Schweizer Recht geregelt werden soll.

Steuerberater: Viele Punkte in der Steuererklärung sind für in Deutschland wohnhafte Schweizer nicht verständlich und relativ kompliziert. Fehler in der Steuererklärung sind schnell gemacht und können mithilfe von Steuerberatern vermieden werden. Gut zu wissen: Es gibt Steuerberater, die auf Grenzgänger spezialisiert sind.

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Hypothekarschulden: Abzahlen anstatt verlängern kann sich lohnen

Schweizer Immobilienbesitzer haben im internationalen Vergleich hohe Hypothekarschulden, die sie oftmals nicht begleichen. Ist mit den steigenden Kreditzinsen die Zeit gekommen, die Hypothekarschulden nach Möglichkeit zu reduzieren?

Autor: Bernhard Bircher-Suits
20.11.2022, 07:39 Uhr

Es tönt paradox: Schweizer Privathaushalte haben in Westeuropa sowohl die höchsten Netto-Finanzvermögen als auch die höchsten Schulden. Gemäss der Schweizerischen Nationalbank (SNB) bestehen die finanziellen Verpflichtungen der privaten Haushalte im Wesentlichen aus Hypotheken und Konsumkrediten.

Ende 2020 beliefen sich die finanziellen Verpflichtungen der Haushalte auf insgesamt 934 Milliarden Franken. Ende 2000 lag der Schuldenberg der Schweizer Haushalte noch bei 480 Milliarden Franken. Von den gesamten Kreditverpflichtungen entfielen Ende 2020 95 Prozent auf Hypotheken (Vorjahr: 91 Prozent).

Das Ende der ultratiefen Zinsen

Hypothekar-Schuldner wurden in den letzten zehn Jahren mit tiefen Zinsen «verwöhnt». Im Idealfall haben die Kreditnehmenden in der nun endenden Tiefzinsphase für die Hochzinsphase Reserven gebildet oder das Ersparte für den Abbau ihrer Hypothek eingesetzt. Denn höhere Zinsen schmerzen – je nach individueller Restlaufzeit einer bestehenden Hypothek – früher oder später alle Kreditnehmenden.

Die Hypothekarzinsen sind stark gestiegen. Der Zinsindex der Plattform Hypotheke.ch stand Ende Oktober bei 2,71 Prozent. Vor einem Jahr hatte er noch 1,12 Prozent betragen. Dies zeigt eine deutliche Erhöhung der Finanzierungskosten. Steigt der Index um 0,01 Prozentpunkte, so bedeutet dies, dass sich die Zinskosten einer Hypothek über 800 000 Franken pro Jahr um 80 Franken verteuern. Im vergangenen Jahr hat sich eine solche Hypothek also um 12 720 Franken im Preis erhöht.

Wie sich die Hypothekarzinsen weiterentwickeln, hängt stark von der Geldpolitik der Nationalbanken ab. Bekommen die Zentralbanken die Inflation nicht unter Kontrolle, dürften weitere Leitzinserhöhungen anstehen und damit auch die Hypozinsen weiter steigen. Eine globale Wirtschaftsflaute könnte sie aber auch wieder nach unten drücken oder zumindest ihren Auftrieb dämpfen.

Hypozinsen sind steuerlich absetzbar

Die Zinshöhe spielt bei der Überlegung, ob eine Hypothekarschuld amortisiert beziehungsweise zurückbezahlt werden soll oder nicht, eine wesentliche Rolle. Ein Rechenbeispiel: Zahlt ein Kreditnehmer bei einem Zinssatz von 2,2 Prozent 100 000 Franken der Hypothek an die Bank zurück, spart er pro Jahr 2200 Franken an Zinskosten. Bei einem Zinssatz von 1,2 Prozent sind es lediglich 1200 Franken. Je höher der Zinssatz ist, desto mehr lohnt es sich somit, die Hypothek zu tilgen.

Gut zu wissen: Die Abzahlung einer Hypothek im zweiten Rang ist Pflicht. Im Gegensatz zur zweiten Hypothek ist die Rückzahlung einer ersten Hypothek hingegen freiwillig. Eine Rückzahlung kann bei einer Festhypothek nur nach Laufzeitende ohne teure Strafgebühr – die sogenannte «Vorfälligkeitsentschädigung» – vorgenommen werden.

Dennoch gibt es je nach Ausgangslage gute Gründe, die Hypothek zu amortisieren, sofern ein Kreditnehmer über freies Kapital verfügt. Andere Faktoren sprechen dagegen – wie zum Beispiel die steuerliche Absetzbarkeit von Hypothekarzinsen. Sie ist für viele Kreditnehmende mit ein Grund, Kredite stehen zu lassen.

Renditechancen wegen Amortisierung verpassen

Nutzt ein Wohneigentümer liquide Mittel zur Amortisation der Hypothek, steht dieses Geld nicht für andere, allenfalls gewinnträchtigere Investitionen zur Verfügung. Das ist ebenfalls zu beachten.

Wie viel Rendite jemand mit Wertschriften verpasst, hängt von der persönlichen Risikobereitschaft ab. Eine Annahme: Jemand investiert in risikobehaftete Aktien und erzielt eine jährliche Rendite von drei Prozent. Dann ist diese Rendite in der Regel höher als die Zinsersparnis bei einer Amortisation. In diesem Fall fährt ein Kreditnehmer mit einer Amortisierung schlechter.

Investiert jemand hingegen in sicherere Staatsanleihen oder parkiert sein Geld auf dem Sparkonto, ist die Rendite deutlich weniger hoch. Dann profitiert man stärker von der Zinsersparnis infolge der Amortisation als von der Rendite aus den Investitionen.

Inflation verkleinert die Hypothekarschuld laufend

Der Entscheid zu «Rückzahlung oder nicht?» hängt auch davon ab, wie hoch der offerierte Zins für eine neue Hypothek ist. Ist die Inflation – im Oktober dieses Jahres lag sie bei 3 Prozent – höher als der offerierte Zinssatz, verkleinern sich die Schulden laufend. Solche Kreditnehmer könnten also mit einer Amortisation zuwarten. Hypotheken ohne fixe Laufzeit werden in Zeiten steigender Inflation in der Regel teurer. Dann kann es sich lohnen, das Darlehen zu amortisieren.

Wer vor allem auf Sicherheit setzt und genügend freie Mittel oder grosse Vorsorgeguthaben hat, wählt die Amortisation – ganz nach dem Motto: Lieber schuldenfrei im Alter und unabhängig von Kreditgebern. Im Einzelfall kann eine (vollständige) Amortisation der Hypothek aber Nachteile bringen: Vor allem dann, wenn nach der Abzahlung nicht mehr genügend Liquidität vorhanden ist. Es gilt daher, die Hypothek nur so weit zu reduzieren, dass mindestens ein paar zehntausend Franken als Barreserve für Unvorhergesehenes verfügbar bleiben. Der Grund: Banken verwehren Pensionierten mit tiefen Renteneinkommen eine Wiederaufstockung der Hypothek.

Jeder Fall ist anders gelagert

Eine generelle Empfehlung für oder gegen die freiwillige Amortisation gibt es folglich nicht. Es gilt die individuellen Faktoren zu betrachten und die eigene Finanzsituation zu prüfen. Hypothekarnehmerinnen und -nehmern stellen sich folgende Fragen:

  • Wie sieht meine finanzielle Situation aus?

  • Spare ich mehr, wenn ich weniger Zinsen zahlen muss, oder ist der Steuervorteil dank den Abzugsmöglichkeiten grösser?

  • Kann ich eine höhere Rendite mit dem Geld erzielen, als ich an Zinsen spare?

  • Brauche ich viel Liquidität, oder kann ich es mir leisten, die Hypothek zu amortisieren?

Drei Experten geben Empfehlungen

Die NZZ hat in Zusammenarbeit mit dem Hypothekarspezialisten Florian Schubiger von Hypotheke.ch drei reale, anonymisierte Hypo-Schuldnerprofile zusammengestellt. Experten von Hypotheke.ch, UBS und Raiffeisen Zürich geben für alle drei Lebenssituationen Empfehlungen ab. Die Leitfrage lautete: abzahlen oder nicht?

Ehepaar Charlene & Daniel Müller

Das Ehepaar Müller wohnt in einem Reiheneinfamilienhaus in Zürich. Sie weisen eine niedrige Risikobereitschaft bei Geldanlagen aus. Sie haben deshalb ihr Vermögen auf einem Konto bei einer Kantonalbank. Sie haben keine Wertschriften. Ihre Hypothek wird per 31. 10. 2022 fällig. Sie haben von ihrer Hausbank eine Offerte von 2,7 Prozent Zins für eine zehnjährige Festhypothek erhalten, welche sie annehmen möchten.

Empfehlung von Florian Schubiger (Hypotheke.ch):
Hypothek amortisieren

Herr und Frau Müller sollten sich überlegen, die Hypothek zu reduzieren. Einerseits erhalten sie auf dem Konto kaum Zinsen, müssen für die Hypothek aber mehr als 20 000 Franken Zinsen pro Jahr bezahlen. Wenn sie die Hypothek amortisieren, verringern sie die Zinslast und haben auf der anderen Seite kaum Mindererträge, weil die Zinsen auf dem Konto so tief sind. Auch nach einer Amortisation besteht keine Gefahr, dass sie in einen Liquiditätsengpass geraten, da sie ja über eine gewisse Sparquote verfügen.

Mit einer Amortisation haben sie einen weiteren Vorteil: Sie können besser über den Hypothekarzinssatz verhandeln, weil die Hypothek tiefer ist und die Belehnung dann unter 65 Prozent fällt (Stichwort Bonität / Rating der Kreditnehmer). Die Belehnung und die Tragbarkeit sind die zwei wichtigsten Einflussfaktoren beim Zinssatz. Wer die Hypothek amortisiert, verbessert gleichzeitig beide Faktoren und kann mit einem deutlich besseren Zinssatz rechnen. Gut zu wissen: Bei einer so tiefen Belehnung offerieren auch Pensionskassen, Anlagestiftungen und Versicherungen sehr gute Zinsen bei Hypotheken. Es kann sich lohnen, weitere Offerten für die Erneuerung der Hypothek einzuholen.

Empfehlung von Andrea Steinmann Mascaro (Raiffeisenbank Zürich):
Abzahlung der zweiten Hypothek

Die Abzahlung der zweiten Hypothek erscheint in diesem Fall als sinnvoll. Allenfalls könnte auch mehr amortisiert werden, bis zu einem Betrag von etwa 250 000 Franken, da die Gelder nur auf dem Konto liegen und keine Anlagen getätigt werden. Die tiefen Zinserträge auf dem Konto und die Inflation sprechen dafür, ebenso wie die weiteren Kennzahlen des Ehepaares.

Zu berücksichtigen gilt es den Zinsabzug zum Eigenmietwert. Dieser fällt bei höheren Zinsen wieder stärker ins Gewicht und muss bei dem Entscheid ebenfalls in die Überlegungen einbezogen werden. Die Eheleute sind zwar erst knapp 50, dennoch könnte auch das Einkaufspotenzial für die Pensionskasse überprüft werden. Es bestünde wohl die Möglichkeit, dort einzuschiessen, was wir als sinnvoller erachten, als zu viel zu amortisieren.

Empfehlung von der UBS:
Teilrückzahlung der Hypothek/Amortisation

Aufgrund dessen, dass die Kunden ihr gesamtes Sparguthaben auf einem Konto haben und eine niedrige Risikobereitschaft aufweisen, sind die Zinskosten der Hypothek höher als die Erträge, welche auf dem Kontoguthaben erzielt werden. Auch wenn man die Steuerersparnis, welche Herr und Frau Müller durch den Abzug des Hypothekarzinses erzielen, mit einberechnet, sind die Kosten für die Hypothek noch immer höher als die Nettoerträge auf dem Konto.

Single Julia Studer

Frau Studer lebt alleine in ihrer Eigentumswohnung. Sie legt ihr Geld seit vielen Jahren selber in Aktien an. Sie spart damit in erster Linie für die Pensionierung. Seit dem Kauf der Eigentumswohnung vor über zehn Jahren hat Frau Studer eine Libor-Hypothek, die 2021 in eine Saron-Hypothek umgewandelt wurde. Sie ist damit gut gefahren und kann steigende Zinsen gut verkraften. Sobald der Saron nicht mehr negativ ist, steigt auch der Zinssatz für die Hypothek von Frau Studer im Gleichschritt mit dem Saron-Zins an. Ein Wechsel in eine Festhypothek kommt nach dem Zinsanstieg für Frau Studer nicht mehr infrage.

Single Julia Studer - NZZ Hypothekarschulden

Empfehlung von Florian Schubiger:
keine Amortisation

Eine Amortisation der Hypothek ergibt bei Frau Studer keinen Sinn. Die Hypothek ist im Vergleich zum Immobilienwert bereits tief. Dies hat auch damit zu tun, dass die Immobilienpreise in den letzten 20 Jahren so massiv angestiegen sind. Diese Situation teilt Frau Studer mit anderen Immobilienbesitzern: Viele wissen gar nicht, dass sie durch die Preissteigerungen in den letzten Jahren heute eine tiefe Belehnung haben.

Zudem hat Frau Studer auf den Aktienanlagen einen langen Anlagehorizont und damit gute Renditechancen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Rendite auf den Geldanlagen höher ist als der Zinssatz bei der Hypothek, ist relativ hoch. Steigen die Zinsen sehr stark an, kann die Situation neu beurteilt werden. Durch Kontoguthaben und die Sparquote besteht die Möglichkeit, auch später zu amortisieren. Bei Saron-Hypotheken kann entweder nach einer kurzen Anzeigefrist oder beim Auslaufen des Rahmenvertrags amortisiert werden. Die meisten Rahmenverträge laufen drei Jahre.

Empfehlung von Andrea Steinmann Mascaro:
keine Amortisation

In diesem Fall besteht eine tiefe Belehnung. Aus diesem Grund ergibt es wenig Sinn, die Hypothek zurückzuzahlen. Einen Liquiditätspuffer von rund 100 000 Franken für Notfälle erachten wir als sinnvoll. Anlagen werfen im langjährigen Durchschnitt eine bessere Rendite ab als die Ersparnisse, die durch die tiefere Zinsbelastung bei einer Amortisation entstehen. Bei einem allfälligen weiteren Zinsanstieg sind Mittel für eine Amortisation vorhanden, so dass dies zu einem späteren Zeitpunkt nochmals überprüft werden kann.

Empfehlung von der UBS:
Weiterführung Saron-Hypothek / keine Amortisation

Geht man von historisch durchschnittlichen Aktienrenditen aus, sollten diese höher ausfallen als die zu zahlenden Hypothekarzinsen. Die Belehnung der Liegenschaft ist mit rund 42 Prozent sehr tief. Solange sich das Einkommen von Frau Studer nicht verändert, läuft Frau Studer keine Gefahr, ihre Hypothek (teil)amortisieren zu müssen. Sollten die Hypothekarzinsen jedoch stark ansteigen, ist es ratsam, die Situation neu beurteilen zu lassen.

Rentner-Ehepaar Pino & Stefanie Moreno

Das Rentnerpaar Moreno lebt in einer Doppelhaushälfte. Sie möchten so lange wie möglich auch im Alter im Haus bleiben und fühlen sich sehr wohl. Sie sind aber überrascht, wie stark die Zinsen gestiegen sind, und wollen die Zinskosten reduzieren. Sie haben im Dezember 2017 eine fünfjährige Festhypothek zu einem Zinssatz von 1,1 Prozent abgeschlossen. Sie überlegen sich deshalb, ob sie die Hypothek reduzieren sollten, um Zinskosten zu sparen.

Rentner-Ehepaar Pino und Stefanie Moreno - NZZ Hypothekarschulden

Empfehlung von Florian Schubiger:
keine Amortisation

Auch wenn es verlockend ist, die Hypothek im Alter so stark wie möglich zu amortisieren, sollten es die Morenos nicht tun. Die Belehnung ist schon jetzt sehr tief, und der Grossteil ihres Vermögens ist in der Immobilie gebunden. Würden sie noch mehr amortisieren, bestünde die Gefahr, dass sie irgendwann einen Liquiditätsengpass hätten. Morenos haben schon jetzt ein Gesamtvermögen von deutlich mehr als 1 Million Franken. Nur einen kleinen Teil davon können sie zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwenden. Die Kontoguthaben von 150 000 Franken sollten sie als Sicherheit nicht auch noch in der Immobilie binden, sondern als Sicherheitsreserve behalten.

Empfehlung von Andrea Steinmann Mascaro:
eher keine Amortisation

Grundsätzlich ist eine Amortisation in diesem Fall nicht notwendig, da die Belehnung sehr tief ist. Eine gewisse Liquiditätsreserve ist sinnvoll, auch um höhere Zinsen in Zukunft durch allfällige spätere Amortisationen abzufedern. Unbedingt in die Betrachtung mit einzubeziehen sind allfällige grössere Investitionen – zum Beispiel in die Heizung oder die Fassadensanierung –, da häufig eine spätere Wiederauszahlung der Hypothek schwierig wird. Dies ist auch relevant unter dem Aspekt, dass einer der Ehepartner verstirbt und danach das Einkommen tiefer ausfällt.

Empfehlung von der UBS:
Hypothek verlängern

Obwohl Herr und Frau Moreno konservative Anleger sind und die Hypothekarkosten höher sind als die Erträge auf der Kontolösung, raten wir in diesem Fall dazu, die Hypothek zu verlängern. Morenos haben lediglich 150 000 Franken liquide Mittel zur Verfügung. Wir wissen nicht, ob ihre Renteneinkommen sämtliche Lebenshaltungskosten decken und ausserdem Spielraum lassen, um auf unvorhergesehene Ausgaben wie grössere Reparaturen oder hohe Arztrechnungen reagieren zu können. Unseres Erachtens bringt Familie Moreno die Flexibilität der Sparkontolösung mehr als die Reduktion der Kosten der Hypothek.

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Versicherungen für Privatpersonen: Diese Policen sind wirklich sinnvoll

Wenige Versicherungen sind ein Muss und viele optional. Ein Überblick darüber, welche Versicherungen in der Regel unabdingbar sind und wie hoch die Prämienunterschiede bei wichtigen Deckungen ausfallen.

Autor: Bernhard Bircher-Suits
11.10.2022, 05:30 Uhr

Gemäss dem Schweizerischen Versicherungsverband (SVV) hat die Schweizer Versicherungswirtschaft im Jahr 2021 das Prämienvolumen im Nichtlebengeschäft gegenüber dem Vorjahr um 2,7 Prozent gesteigert. Auch bei der freiwilligen Krankenzusatzversicherung gab es ein sattes Plus von 2,5 Prozent. Dazu gehören die Versicherung von Heilungskosten sowie das Krankentaggeld. Ein noch höheres Plus von rund 4 Prozent resultierte in der Feuer-, Elementar- und Schadenversicherung. Der Grund: Die versicherten Werte stiegen an, was sich in einer Zunahme des Prämienvolumens niederschlägt.

Versicherungsverband identifiziert neue Toprisiken

Das steigende Prämienvolumen freut die Branchenvertreter. Aus Kundensicht ist die Zunahme des Prämienvolumens eher mit Fragezeichen behaftet. Denn das oberste Ziel von scharf kalkulierenden Versicherungskunden sollte sein: nur die nötigsten Risiken zum besten Preis zu versichern. Gerade in Zeiten hoher Inflation gilt es auch bei Versicherungspolicen, Sparpotenzial auszuloten. Doch der Schweizer Versicherungsverband hat bereits neue «Toprisiken» identifiziert, die aus seiner Sicht «von der Öffentlichkeit nicht im erforderlichen Ausmass wahrgenommen werden». Dazu zählt der SVV Cyberattacken, Strommangellagen und Erdbeben.

Solche Risiken existieren zweifelsfrei, und bei tatsächlich eintretenden Strommangellagen dürften sich im Winter viele Haushalte fragen, ob zum Beispiel allfällige Schäden am Gefriergut bei Stromausfällen gedeckt sind. Bis anhin gilt: Bei den meisten Versicherungsgesellschaften sind Schäden am Tiefkühlgut wegen eines unbeabsichtigten Ausfalls des Kühlgerätes durch die Hausratversicherung im Rahmen der entsprechenden Versicherungssumme und eines allfälligen Selbstbehalts gedeckt.

Ob diese Regeln auch bei einem absichtlich herbeigeführten Stromunterbuch zur Anwendung kommen werden, wird sich zeigen. Als Tipp bietet sich folgendes Vorgehen an: Kurz überlegen, was Schaden nehmen könnte, wenn es kalt würde in den eigenen vier Wänden, und in der Hausratspolice nachsehen oder bei Bedarf bei der Versicherung nachfragen, welche Schäden effektiv bis zu welcher Summe gedeckt wären.

Hände weg von gemischten Lebensversicherungen

Wer sich kostengünstig und vor allem risikogerecht versichern will, sollte zuerst aber seine ganz individuelle Risikoanalyse machen: Was kann meiner Person, meiner Familie, meiner Wohnung oder den eigenen vier Wänden passieren? Besteht an meinem Wohnort zum Beispiel in der Tat ein erhöhtes Erdbebenrisiko? Würde ein solches Toprisiko zudem die finanzielle Existenz bedrohen? Oder könnte man den Schaden problemlos mit dem Ersparten begleichen?

Als Faustregel gilt: Grosse und folgenschwere Risiken sollten Private wie auch Firmen unbedingt versichern. Bei kleinen Risiken kann man sich die Prämie oft sparen. Ein Kleinrisiko ist zum Beispiel die Versicherung des Reisegepäcks oder des Handy-Displays sowie eine Ski- und Snowboard-Bruchversicherung. Benjamin Manz, Geschäftsleiter des Schweizer Vergleichsportals Moneyland, sagt: «Die wohl schlechteste Entscheidung für eine Versicherung sind häufig gemischte Lebensversicherungen, die ein Risiko wie zum Beispiel einen Todesfall mit Sparen beziehungsweise Investieren kombinieren. Davon ist meistens abzuraten, da diese Versicherungen zu einer echten Kostenfalle werden können. Besser ist es, Risiko und Investieren zu trennen.»

Grosse Wissenslücken bei Finanz- und Versicherungsfragen

Ein Grundproblem im Versicherungsdschungel: Viele Menschen haben bei Finanz- und Versicherungsfragen grosse Wissenslücken und können das individuelle Risiko nur schwer abschätzen. Das zeigt auch eine empirische Untersuchung im Schweizer Versicherungsmarkt der Universität St. Gallen. Gemäss den Autoren bestehen «erhebliche Wissensdefizite bei den Konsumenten». Rund ein Drittel der Bevölkerung «zeigt erhebliche Defizite beim Basisfinanzwissen; zu Versicherungsfragen gibt es noch grössere Defizite». Die Autoren empfehlen Initiativen zur Wissensförderung, mit denen Versicherungslaien Risiken und Versicherungsfragen besser verstehen und fundiertere Entscheidungen treffen können.

Wichtig zu wissen ist: Versicherungen wie die Grundversicherung der Krankenkasse sind in der Schweiz obligatorisch. Zusatzversicherungen sind nett zu haben, aber meist teuer und unnötig. Deutlich preiswerter sind Spitalversicherungen mit flexibler Abteilungswahl (Flex-Versicherung). Sie können eine Alternative zu den teuren Zusatzversicherungen für die halbprivate oder private Spitalabteilung sein. Grundsätzlich gilt bei dieser attraktiven Lösung: Je höher die Kostenbeteiligung durch den Versicherten, desto tiefer ist die Prämie. Doch für eine Flex-Versicherung verlangen die Kassen eine Gesundheitsprüfung. Gut zu wissen: Auch ohne teure Zusatzversicherung kann man in vielen Spitälern für ein Einzel- oder Doppelzimmer aus dem eigenen Portemonnaie bezahlen (Upgrade).

Eine Privathaftpflicht gehört zur Grundausstattung

Eine Privathaftpflicht ist hingegen sehr empfehlenswert. Sie deckt Schäden, die Versicherte Dritten zufügen. Sie ist grundsätzlich freiwillig, für Hundehalterinnen und Hundehalter in den meisten Kantonen aber obligatorisch. Lebensversicherungen sind hingegen freiwillig. Eine reine Risiko-Kapital-Lebensversicherung kann aber sinnvoll sein, wenn zum Beispiel eine junge Familie und angehende Wohneigentümer die Risiken Invalidität und Tod privat versichern möchten.

Dazu sollte man vorher die Frage klären: Wie viel Geld würde der überlebende Partner von der Pensionskasse, der AHV/IV oder der Unfallversicherung erhalten? Deckt der Betrag den Lebensstandard nicht, sollte man den Abschluss einer reinen Risikopolice prüfen. Risiko-Lebensversicherungen sichern Tod und Invalidität ab – entweder einzeln oder in Kombination. Mit den bisher erwähnten Tipps haben Versicherte eine erste Grundlage für eine Analyse ihres bestehenden Versicherungsdossiers.

Haushalte in der Schweiz gelten als eher über- denn unterversichert. Von Überversicherung sprechen Versicherungsfachleute, wenn die versicherte Schadenssumme zu hoch als effektiv nötig angesetzt wurde. Oft sind Versicherte schlicht auch zwei Mal für dasselbe Risiko versichert. Sogar die Versicherung Allianz hält auf ihrer eigenen Website fest: «Häufig zahlen wir für dasselbe Risiko zwei Versicherungen, ohne es zu wissen.» Ein Beispiel: Tickets für Veranstaltungen sind unter Umständen bereits in der Reiseversicherung gedeckt. Und wer zusammen im selben Haushalt wohnt, braucht in der Regel nur eine Haushaltversicherung und nicht zwei.

Was viele auch nicht beachten: Angestellte sind in der Schweiz obligatorisch gegen die finanziellen Folgen von Berufs- und Freizeitunfällen versichert – vorausgesetzt, sie arbeiten mindestens acht Stunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber. In diesem Fall kann man auf die zusätzliche Unfalldeckung in der Krankenkasse verzichten.

Vergleich von Privathaftpflicht- und Hausratsversicherungen

Doch wie hoch sind die Prämien für die wichtigsten Deckungen wie zum Beispiel eine Privathaftpflicht- oder eine Hausratsversicherung effektiv? Vor jedem Abschluss einer Versicherung sollte ein Prämienvergleich stehen. Der Konkurrenzkampf unter den Gesellschaften hat zur Folge, dass für praktisch gleichwertige Versicherungslösungen bis zur Hälfte der Prämie gespart werden kann – und zwar Jahr für Jahr. Das finden Versicherte aber nur heraus, wenn sie mehrere Offerten einholen.

Eine Privathaftpflichtversicherung kann für wenig Geld vor dem finanziellen Ruin schützen. Sie ist deshalb sehr empfehlenswert. Ein Kostenvergleich für einen 40-jährigen Mann mit Wohnsitz in Zürich zeigt, dass dieser bei manchen Versicherern doppelt so viel zahlt wie bei anderen. Auch bei der Hausratsversicherung zeigen sich enorme Preisunterschiede. Und nicht vergessen: Man sollte beim Versicherungsabschluss auf einer einjährigen Laufzeit bestehen. So ist man flexibel, falls man später doch noch ein besseres Angebot findet und rasch wieder aussteigen möchte.

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Ferienwohnungen: So sinken die Fixkosten mit Hilfe von Online-Plattformen wie Airbnb und Booking

Viele Zweitwohnungen in der Schweiz sind schlecht isoliert und verbrennen viel Heizenergie, Strom und Geld. Mithilfe von Ferienwohnungs-Vermittlungsplattformen lässt sich in gefragten Orten zumindest ein Teil der Fixkosten kompensieren. Ein Ratgeber für mehr warme Betten.

Autor: Bernhard Bircher-Suits
27.09.2022, 05:30 Uhr

Die gute Nachricht für die schätzungsweise 700 000 Eigentümerinnen und Eigentümer von Ferienimmobilien vorneweg: Die Preise für Schweizer Ferienwohnungen sind im Jahr 2021 im Schnitt um knapp 10 Prozent gestiegen. Das zeigt eine im Mai dieses Jahres veröffentlichte Studie der Grossbank UBS. Die Preise legten damit so stark zu wie seit 2008 nicht mehr.

Die Annahme der Zweitwohnungsinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen» im Jahr 2012 hatte gemäss der Studie vorher zu «einer langjährigen Schwächephase auf den Zweitwohnungsmärkten» geführt. Die Initiative beschränkt die Zahl der Ferienwohnungen je Gemeinde auf 20 Prozent. Die Initiative wirkte als Preisdämpfer bei Ferienimmobilien: Zwischen 2012 und 2020 legten Ferienwohnungen insgesamt «nur» um 3 Prozent an Wert zu und damit deutlich weniger als andere Immobilien im Landesdurchschnitt.

Ferienimmobilien erleben Boom

Mittlerweile boomt der Markt für Ferienimmobilien wieder: Die meisten Ferienwohnungsmärkte sind gemäss UBS «leergekauft», und die Quadratmeterpreise erreichen Höchststände. Sie liegen gegenwärtig um rund 15 Prozent über dem Niveau von Anfang 2020. Der jüngste Kaufrausch wurde gemäss der genannten Studie durch die Corona-bedingt starke Nachfrage nach Wohnen in der Natur, Vermögensinflation sowie historisch tiefe Hypothekarzinsen begünstigt. Zudem hat das ortsunabhängige Arbeiten an Bedeutung gewonnen, und die Schweizerinnen und Schweizer machen wieder verstärkt im Inland Ferien.

Die nach der Corona-Pandemie wieder steigende Nachfrage nach Ferienwohnungen spüren nicht nur die Immobilienmakler, sondern auch die Vermieter von in den kühleren Bergregionen gelegenen Ferienwohnungen. Tourismusfachleute sprechen bei diesen Angeboten von «Parahotellerie». Im Verlauf des vergangenen Jahres verzeichneten Ferienwohnungen gemäss Zahlen des Schweizer Tourismusverbands in der Schweiz 7,6 Millionen Logiernächte. Das sind 5,5 Prozent mehr als im Corona-Krisenjahr 2020. 2021 betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in einer Ferienwohnung 6,5 Nächte. Im Vergleich zu 2021 nahm die Zahl der Logiernächte im ersten Quartal 2022 um rund 700 000 zu. Die Parahotellerie läuft also rund.

Waren früher Ferienwohnungen in den Bergregionen im besten Fall in der Wintersaison ausgebucht, sind nun dank immer heisseren Sommern im Unterland auch die Monate Juni, Juli und August bei Mietenden «heiss» begehrt. Marcel Meek, Geschäftsführer der Feriendomizil-Vermittlungsplattform E-Domizil, sagt: «Ausgebuchte Regionen gab es in der Schweiz bisher nur im Winter zu Weihnachten und Neujahr beziehungsweise in den Sportferien. Neu gibt es einen zweiten solchen Höhepunkt im Sommer.»

Ferienimmobilien sind nur an Toplagen Rendite-Perlen

Doch die Vermietung einer Ferienimmobilie ist kein Kinderspiel, und Ferienwohnungen sind meist nur an Toplagen Rendite-Perlen. Und je höher der Mietpreis für eine Ferienwohnung, desto anspruchsvoller sind die Gäste. Doch anstatt die Ferienwohnung das ganze Jahr mehr oder weniger leer stehen zu lassen, kann man ein allfälliges Gästepotenzial auf Online-Plattformen zumindest testen und im Idealfall die Fixkosten teilweise kompensieren und die schlechte Umweltbilanz einer leerstehenden, aber meist doch geheizten Ferienwohnung aufpolieren.

Die folgende Tabelle zeigt: Preiswert für Vermietende ist vor allem die Onlineplattform Fewo-direkt. Sie verlangt von privaten Anbietern «nur» 8 Prozent Kommission. Auf der Bewertungs-Website https://www.testberichte.de erhält die Plattform aber nur die Gesamtnote «ausreichend». Nutzerinnen un Nutzer beschweren sich dort über Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme per Telefon sowie den Kundendienst.

Vier bekannte Buchungsplattformen in der Schweiz im Vergleich

* Gemäss Firmenangaben. 1) Die meisten Gastgeberinnen und Gastgeber zahlen eine pauschale Servicegebühr in Höhe von 3% der Zwischensumme einer Buchung. Die Zwischensumme ist der Übernachtungspreis zuzüglich der Reinigungsgebühren und Gebühren für zusätzliche Gäste (falls zutreffend). Den Gästen wird eine Servicegebühr von zirka 14% der gesamten Buchung belastet. 2) Fewo-direkt ist eine Vrbo-Marke und Teil der Expedia Group. Die Expedia Group hat ihren Sitz in den USA. 3) Professionelle Gastgeber (Agenturen) zahlen bis zu 15% Provision.

Quelle: Eigene Recherchen

Airbnb spricht internationale Wohn-Nomaden und Kurzaufenthalter an

Der selbständige IT-Unternehmer Manuel Berger (Name geändert) hat seine Tessiner Ferienimmobilie seit zwei Jahren auf Airbnb und E-Domizil inseriert. Berger sagt: «E-Domizil positioniert sich klar für den längerfristigen, klassischen Ferientourismus. Bei Airbnb gibt es hingegen viele Kurzaufenthalter.» Airbnb ziehe eher die «moderne, digitale und internationale Kundschaft» an. Die Website von E-Domizil ist aus Sicht von Berger nicht mehr auf dem neuesten Stand.

Ein Pluspunkt bei Airbnb seien die Bewertungen der Feriengäste durch die Vermieter. Berger sagt: «Dadurch kann man sich ein Bild von den jeweiligen Mietern machen. Es führt sicher auch dazu, dass sich die Mietparteien mehr Mühe geben, weil sie am Ende keine negativen Bewertungen erhalten möchten.» Neben den Gebühren sollten auch die Benutzerführung und der persönliche zeitliche Aufwand für die Vermietung testweise geprüft werden.

Grosse Plattformen wie Airbnb oder Booking.com bieten einen hohen Grad an Automatisierung und Bedienkomfort. Martina Bieler, Leiterin Kommunikation beim Schweizer Tourismusverband STV FST, sagt: «Online-Ferienwohnungsplattformen ermöglichen den Vermieterinnen und Vermietern eine grosse Reichweite und Sichtbarkeit. Dadurch lassen sich Marketing- und Vertriebskosten einsparen. Trotzdem empfiehlt es sich, bei der Vermarktung auf verschiedene Kanäle zu setzen.» Beruhigend zu wissen für angehende Vermieter: Die meisten Plattformen kennen ein Party-Verbot, und Mietende müssen vorher den «Hausregeln» zustimmen. Im Mietpreis ist oft auch eine Versicherung für den Vermieter enthalten. So schlafen Vermieter ruhig, während sich Gäste in den warmen Betten erholen.

Lesen Sie den Originalartikel vom 27.09.2022 auf nzz.ch oder laden Sie sich die NZZ-Online-Version als PDF herunter.

 

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Kredite und Geldanlagen ohne Bank: Wie geht das?

Privatpersonen können Zinsen verdienen, wenn andere sich Konsumwünsche auf Kredit erfüllen.

Auf Online-Kreditplattformen wie Cashare, Creditgate24, Crowd4cash oder Lend schliessen Private und Firmen Kreditverträge ab. Kreditgeber erhalten attraktive Zinsen, tragen aber ein erhebliches Risiko.

Bernhard Bircher-Suits

Wer über 18 Jahre alt ist und über ein Schweizer Bankkonto verfügt, kann bei Crowdlending-Plattformen mit dabei sein – als Online-Kreditnehmer oder Investor. Die im Januar 2008 gegründete Cashare AG mit Sitz in Hünenberg (ZG) ist gemäss eigenen Angaben «die erste und grösste Crowdlending-Plattform in der Schweiz». Cashare bietet Geldsuchenden Kredite, die ohne Umweg über eine Bank zwischen Investoren und Kreditnehmern im Internet vermittelt werden. Fachleute sprechen auch von Peer-to-Peer-Krediten. Crowdlending-Plattformen geben auch Investoren mit kleinem Portemonnaie die Möglichkeit, Firmen oder Privatpersonen Geld zu leihen und dafür Zinsen zu erhalten.

Wachsender Kreditmarkt – aber immer noch ein Zwerg

Seit der Gründung der ersten entsprechenden Plattform in der Schweiz vor 13 Jahren wurden mittels Crowdfunding rund 1,7 Mrd. Fr. vermittelt. In der Schweiz flossen im Jahr 2019 knapp 600 Mio. Fr. über solche Kanäle. Damit ist der Markt im Vergleich zum Vorjahr um 16% gewachsen – etwas schwächer als in den Vorjahren. Das zeigt eine Studie der Hochschule Luzern.

Das Wachstum wird in erster Linie getrieben vom Immobilien-Crowdinvesting und vom Crowdlending. Letzteres wuchs von 2018 auf 2019 um 60% auf 418 Mio. Fr. Die KMU-Crowdlending-Plattformen wie zum Beispiel Swisspeers oder Loanboox richten sich typischerweise an kleine bis mittelgrosse Unternehmen und bei Loanboox an Gemeinden und öffentlichrechtliche Körperschaften. Consumer-Crowdlending-Plattformen sind vor allem im Konsumkreditmarkt aktiv. Dazu gibt es Anbieter, die hypothekarisch besicherte Kredite anbieten – wie zum Beispiel Crowdhouse. Im Vergleich zum grossen, traditionellen Konsumkreditmarkt ist der digitale Crowdlending-Markt immer noch ein Zwerg. Gemäss den Zahlen der Zentralstelle für Kreditinformation (ZEK) waren Ende 2018 Konsumkredite für 7,66 Mrd. Fr. ausstehend.

Cashare: Kommission von 0,75% der Darlehenssumme

Cashare ist eine von rund einem Dutzend Firmen, die in der Schweiz über digitale Plattformen Kredite vermitteln. Alle leben davon, dass sich Kreditgeber und Kreditnehmer finden und sie für die Vermittlung Gebühren kassieren. Dieses Crowdlending ist für Private, Selbständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) eine Alternative zum traditionellen Bankkredit. Darlehen im Familien- oder Bekanntenkreis sind aber meist günstiger.

Investoren können je nach Plattform in gesicherte und ungesicherte Privatkredite, KMU-Darlehen und Immobilienkredite investieren. Die Vermittlungsgebühr beträgt für private Kreditnehmer je nach Plattform 0,2% (Lend, je nach Rating) bis 1% (Lend) pro Jahr. Auf der anderen Seite müssen Geldgeber an Private 0,75% (Cashare) bis 1,25% (Creditgate24) Gebühren zahlen. Die Gebührenkonditionen bei KMU-Krediten sind ähnlich. Hinzu kommen bei Kreditnehmern Gebühren für allfällige Mahnungen, Versicherungsprämien sowie Verzugszinsen. Bei Cashare beträgt der Verzugszins für Schuldner beispielsweise 10%.

Doch wie steht es mit den Kreditzinsen für Private? Beim Anbieter Lend beginnt der günstigste Online-Kredit bereits ab 3,5%. Die tiefsten Zinssätze werden bei Lend aber nur für beste Bonitäten mit Sicherheiten oder Eigenheimbesitzer mit Top-Bewertung vergeben. Zum Vergleich: Die Migros Bank wirbt mit Online-Krediten ab 4,7% Zins pro Jahr. Wer kein regelmässiges Einkommen und keinen Wohnsitz in der Schweiz hat, wird in der Regel bei einer Bank und auch einer Online-Crowdlending-Plattform leer ausgehen.

Ab 1000 Franken in ein Bauvorhaben investieren

Grundsätzlich können Investoren via Crowdlending ihr Geld festverzinslich anlegen und im Idealfall attraktive Renditen erzielen. Als Privatinvestor konnte man im April zum Beispiel mit einem Mindestbetrag von 1000 Fr. in ein Bauvorhaben in Frenkendorf (BL) investieren. Eine namentlich nicht genannte Kapitalgesellschaft aus der Immobilienbranche suchte seit Ende März insgesamt 960 000 Fr. für den Bau einer Terrassensiedlung. Die Rückzahlung des Darlehens erfolge durch den Verkauf der Terrassenwohnungen.

Als Sicherheit für dieses Darlehen hinterlegte der Kreditnehmer acht Schuldbriefe auf acht Eigentumswohnungen in einem Mehrfamilienhaus im Zentrum von Thun. Weiter bürgte der Firmeninhaber solidarisch für den gesamten Kreditbetrag. Wer genau der Kreditnehmer war, blieb aber offen. Alle Crowdlending-Anbieter in der Schweiz sind verpflichtet, sich von einer sogenannten Selbstregulierungsorganisation (SRO) beaufsichtigen zu lassen. Sie unterstehen den gleichen Datenschutz-Standards wie Banken.

Hoher Jahreszins – hohes Risiko

Cashare verlieh dem namentlich nicht genannten Kreditnehmer das Kreditrating B. Im April waren 146 bei Cashare registrierte Privatinvestoren bei dem Bauprojekt mit von der Partie. Der höchste Kreditbeitrag eines Investors betrug 75 000 Fr. – eine überdurchschnittlich hohe Summe. Zum Vergleich: Bei privaten Crowdlendings lagen die durchschnittlichen Kreditsummen 2019 bei rund 32 000 Fr. Bei KMU-Krediten hingegen liegt die Durchschnittssumme bei 120 000 Fr.

Anfang April war der Kredit für das Bauprojekt zu 60% finanziert. Der Zins für eine Kreditlaufzeit von 12 Monaten betrug 7,8% pro Jahr. Cashare schrieb zum Projekt: «Dieser Kredit ist endfällig, das bedeutet, dass der Kredit erst am Ende der Laufzeit inklusive Zinsen zurückbezahlt wird. Während der Laufzeit gibt es deshalb keine Amortisationen und keine Zinszahlungen.» Gemäss Cashare variieren die Renditen für die Schwarm-Investoren aus dem Netz zwischen 3,9 und 9,9%. Für 2020 gibt das Unternehmen die Durchschnittsrendite für die Investoren bei Privatkrediten mit 7,3% an, bei KMU-Krediten mit 8,4%. Bei Lend betrug die durchschnittliche Rendite laut Angaben der Firma im vergangenen Jahr 4,3%. Gemäss einem Lend-Sprecher haben «94% aller Anleger auf Lend eine positive Rendite im Portfolio». Die Renditen variieren je nach gewählter Risikoklasse und zeitlicher Betrachtungsweise. Um die Rendite für Anleger nicht zu trüben, sorgen die Plattformen dafür, dass nicht alle Kreditnehmer zu Darlehen kommen. Bei Privaten wird zuerst anhand von Lohnabrechnungen, Mietverträgen, Krankenkassenpolicen und dergleichen abgeschätzt, ob sie kreditwürdig sind – und den Kredit tatsächlich zurückzahlen können.

Ein Totalverlust ist denkbar

Wer in Online-Kredite investiert, sollte einen Totalverlust finanziell verkraften können. Die Zahlungsausfälle liegen im Schweizer Privatkreditmarkt und auch bei den Crowfunding-Plattformen bei rund 1 bis 2%. Konkret betragen sie bei der Plattform Cashare gemäss eigenen Angaben im Jahr 2019 0,84% bei Privatkrediten. Bei Lend waren es 2020 1,12% im Schnitt auf alle Verträge. Crowd4Cash spricht von einem halben Prozent bei Privat- und KMU-Krediten. Die reine KMU-Plattform Swisspeers gibt die ungefähre jährliche Ausfallquote mit 1,25% des investierten Kapitals an.

Doch was passiert, wenn die Rückzahlungen und Zinsen ausbleiben? Die Plattformen sind für die Betreibung von Schuldnern zuständig. Bei Cashare leisten die Kreditnehmer beispielsweise monatliche Rückzahlungen. So reduziert sich das Risiko für die Kreditgeber laufend. Bleiben die Zahlungen aus, übernehmen die Plattformen in der Regel die Betreibung des Schuldners. Ist er zahlungsunfähig, erleidet der Kreditgeber einen Verlust.

Geldverleih an «Unbekannte»

Wer Geld auf solchen Plattformen verleiht, sollte sich deshalb bewusst sein, dass Verzinsung und Rückzahlung von den Absichten und der finanziellen Situation des Kapitalempfängers abhängen. Immerhin: Anleger sehen auf den Plattformen jeweils, ob die Darlehensnehmer die Risiken Todesfall, Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit versichert haben. Bei Cashare etwa ist eine Todesfallversicherung bis zum Alter 65 für Kreditnehmer obligatorisch, «damit im Todesfall der ausstehende Restbetrag nicht den Erben zur Last fällt».

Seit dem 1. April 2019 müssen sich Crowdfinanzierungs-Plattformen an das Konsumkreditgesetz halten. Es gilt für Kreditverträge ab 500 bis 80 000 Fr. In diesen Fällen muss der Plattformbetreiber eine Kreditfähigkeitsprüfung durchführen. Cashare ordnet dazu jedem Antragsteller eine Risikobewertung von A (tiefes Risiko, tiefe Rendite) bis zu F (hohes Risiko, hohe Rendite) zu. Rund 90% aller Kreditanträge werden bei Cashare aufgrund eines «unzureichenden Risiko- /Ertragsprofils» abgelehnt.

Zu beachten ist gemäss einem Cashare-Sprecher, «dass sich unter den Ablehnungen nicht nur die ungenügenden Bonitäten befinden, sondern auch all die abgelehnten Anträge, bei denen zum Beispiel die geforderten Dokumente für die Überprüfung nicht eingereicht werden oder sich im automatisierten Antragsprozess zeigt, dass keine genügende Kreditfähigkeit da ist – bzw. eine Überschuldung des Kreditnehmers eintreten würde». Roger Bossard, Gründer von Crowd4Cash, schreibt: «Bei den Privatkrediten liegt die Ablehnungsquote leicht über 80% der gesamthaft angefragten Kredite. Die aktuelle Ablehnungsquote bei KMU liegt bei über 90%.»

Bei Geschäftskrediten gilt Konsumkreditgesetz nicht

Als Kreditnehmer von Geschäftskrediten muss man bei diesen Plattformen beachten, dass bei KMU-Krediten das Schweizer Konsumkreditgesetz nicht zur Anwendung kommt. Das heisst: Achtung bei den Kosten und Zinsen, die insgesamt die Maximalgrenze bei Konsumkrediten von effektiven 10% überschreiten können. Beim Firmenkredit auf Swisspeer werden Gebühren erst im Falle einer erfolgreichen Finanzierung fällig. Eine einmalige Abwicklungsgebühr zieht Swisspeer am Anfang vom Kreditbetrag ab: Diese beträgt je nach Bonität des Kreditnehmers 1% (minimal 2000 Fr.) oder 1,25% (minimal 2850 Fr.). In den jeweils zu zahlenden Kreditzinsen bei Swisspeer sind Administrationsgebühren in der Höhe von 0,5 bis 0,75% – je nach Rating – inbegriffen.

Doch wie unterscheidet sich ein Firmenkredit über Swisspeers von den klassischen Bankenfinanzierungen? Bei Swisspeers werden gemäss eigenen Angaben «keine Sicherheiten» für einen Kredit verlangt. Zudem kann das Finanzierungstempo ein Vorteil für einen Kreditantragssteller sein. So berichtet Unternehmer Johannes Zeller vom Online-Shop Gustero im aktuellen Newsletter von Swisspeers, dass er seinen Kredit zur «Wachstumsfinanzierung» innert rund zwei Tagen erhalten habe. Zeller schreibt: «Wenn ich mich recht erinnere, war das Projekt in unter zwei Stunden bereits überzeichnet.» Sein Tipp an zukünftige Kreditnehmer: «Ich denke, das A und O liegt darin, dass man alle Dokumente zur Verfügung hat – dann geht’s wirklich schnell.» Michael Borter von Cashare schreibt zu den Vorteilen des Angebots im Vergleich zum klassischen Bankenkredit: «Im Gegensatz zu Banken kümmert sich Cashare auch um kleinere Kreditanfragen oder spezielle Konstellationen. So ist es etwa für Selbständigerwerbende nicht immer einfach, einen Kredit zu beantragen, da unklar ist, ob man sie als Privatperson oder Firma beurteilen soll.» Sowohl für KMU wie auch für Private seien gemäss Cashare Kreditentscheide «innert 24 Stunden die Regel».

Das sollten Anleger und Kreditnehmer prüfen

Clevere Investoren und Kreditnehmer setzen aber nicht nur auf Tempo, sondern prüfen auch die Plattform selber mit Fragen wie: Verfügt sie über eine Revisionsgesellschaft? Wie lange ist sie auf dem Markt? Gibt es auch Unterstützung bei Inkassomassnahmen? Gibt es einen Sekundärmarkt? Was sind die Mindestinvestitionen? Wie sieht es mit den minimalen bzw. maximalen Kreditsummen aus?

Für Anleger eröffnet sich mit Crowdlending eine neue Renditechance. Letztlich gilt dabei aber, was bei allen Geldanlagen gilt: Je höher der Zins, desto grösser das Risiko. Wer es scheut, sollte nur die Gläubiger mit den besten Bewertungen wählen. Kreditgeber sollten nur frei verfügbare Mittel investieren, die nicht für den Lebensunterhalt benötigt werden, und ihr Geld auf mehrere Schuldner verteilen. So verteilt man das Risiko eines Kreditausfalls. Und zuletzt gilt es auch die Gebühren der Plattformen nicht völlig aus den Augen zu lassen.

Lesen Sie den Beitrag vom 25.05.2021 in der Originalversion auf nzz.ch

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