Wohnungsnot? So erhöht man seine Chancen auf eine Miet- oder eine Eigentumswohnung
Das Angebot an bezahlbaren Miet- und Eigentumswohnungen in urbanen Zentren ist gering. Wer clever sucht und zur Not seinen Suchradius ausweitet, kann durchaus Wohnraum finden. Ein Ratgeber für Leute, die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche haben.
Autor: Bernhard Bircher-Suits, Publikation in der NZZ am 01.10.2023
Anfang Juni 2023 wurden in der Schweiz 54 765 Leerwohnungen gezählt. Das entspricht einschliesslich Einfamilienhäusern rund 1 Prozent des Gesamtwohnungsbestands. Das Bundesamt für Statistik (BfS) versteht unter leerstehenden Wohnungen alle möblierten oder unmöblierten bewohnbaren Wohnungen, die zur dauernden Miete oder zum Kauf angeboten werden und jeweils am Stichtag 1. Juni nicht bewohnt sind.
Was Wohnungssuchenden Sorgen bereiten dürfte: Die sogenannte Leerwohnungsziffer ist in der Schweiz innert Jahresfrist um 0,16 Prozentpunkte zurückgegangen. Der Schweizer Wohnungsleerstand hat sich im Jahr 2023 somit bereits das dritte Mal in Folge reduziert. Insgesamt nahm die Anzahl freier Wohnungen um rund 11 Prozent ab. Das geht aus der BfS-Leerwohnungszählung hervor.
Zunahme bei den Eigentumswohnungen um 18 Prozent
Auch unerfreulich für Wohnungssuchende: In allen sieben Grossregionen der Schweiz wurden Anfang Juni weniger leerstehende Wohnungen angeboten als im Vorjahr. Wie schon 2022 wurden mit 7817 Einheiten am meisten unbesetzte Wohnungen im Kanton Bern gezählt. Immerhin ein Lichtblick: Die Zahl der zum Kauf angebotenen Eigentumswohnungen nahm im Jahresvergleich um 18 Prozent um 1612 Einheiten zu. Insgesamt wurden 10 552 leerstehende Wohnungen zum Kauf ausgeschrieben.
Wer derzeit zur Miete lebt und ausreichend Eigenkapital auf der hohen Kante hat, sollte somit auch den Kauf einer Eigentumswohnung in Betracht ziehen, da zumindest bei dieser Wohnform das Angebot grösser wird. Anfang Juni wurden in der Schweiz zudem 6124 unbewohnte Einfamilienhäuser angeboten. Das entspricht gegenüber dem Vorjahr einer Zunahme von 795 Einheiten beziehungsweise rund 15 Prozent. Fakt ist auch: Es gibt mehr freie Grosswohnungen. Konkret sind 18 Prozent mehr Wohnungen mit sechs und mehr Zimmern frei. Damit steigen für Suchende auch die Chancen auf die Gründung von preiswerten Wohngemeinschaften mit mehreren Mietparteien.
Tessiner findet Wohnung in Zürich mit der Hilfe einer Maklerin
Tomaso Salvato (25, Name geändert) interessieren Leerstandsstatistiken nicht mehr. Salvato zählt zu den wenigen erfolgreichen Wohnungssuchenden in der Stadt Zürich: Der Tessiner wird im Oktober eine Wohnung mit 53 Quadratmetern Wohnfläche im Milchbuckquartier im beliebten Kreis 6 beziehen. Derzeit wohnt er in einem Mehrfamilienhaus in Zürich Höngg an einer stark befahrenen Hauptstrasse. Salvato sagt: «Ich habe in Zukunft noch 10 Minuten mit dem Tram an den Zürcher Hauptbahnhof. Auch der Flughafen ist innert weniger Minuten erreichbar.» Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimme für ihn, und die Wohnung sei ruhig gelegen.
Auf die Frage, wie er an seine zentral gelegene Traumwohnung in der Stadt Zürich gekommen sei, sagt er: «Ich hatte Glück mit einer Wohnungsvermittlerin. Sie hat offenbar ein gutes Netzwerk und kümmerte sich um alles.» Die Immobilienvermittlerin habe für ihn sogar den Mietvertrag auf Englisch übersetzt. Der Preis für ihre Dienstleistung: eine Monatsmiete in der Höhe von 1800 Franken. Salvato sagt dazu: «Diese Kosten waren berechtigt. Ich musste keinen Finger rühren und hatte Erfolg.» Das Fallbeispiel zeigt: Auch in Zeiten der Wohnungsnot gibt es durchaus Wege, zu vier Wänden zu kommen.
Statistiken nutzen und gezielt an Orten mit vielen freien Objekten suchen
Doch nicht alle haben so viel Glück wie der Tessiner: Die Suche nach einer passenden Traumbleibe in einer Stadt wie Zürich kann Jahre dauern. Walter Angst vom Mieterinnen- und Mieterverband sagt: «Nur wer sich viel Zeit nehmen kann, hat eine Chance, in der Grossagglomeration Zürich eine bezahlbare Wohnung zu finden.»
Mit ein Grund: Anfang Juni 2023 standen in der Stadt Zürich gerade einmal 144 Wohnungen leer. Laut der Stadtverwaltung ist die Wohnbevölkerung im Jahr 2022 um fast 6000 Personen gewachsen. Zwischen 2021 und 2022 wurden jedoch nur 800 neue Wohnungen gebaut. In den Vorjahren waren es noch rund 2000 Wohnungen gewesen. Wohneigentum in der Stadt zu finden, ist grundsätzlich schwierig. In der Stadt Zürich beträgt der Anteil Miethaushalte gemäss Statistikamt 90 Prozent.
Doch Suchende sollten sich nicht entmutigen lassen: Die Leerwohnungszahl bildet nur einen kleinen Teil der rund 2000 Wohnungen ab, die in der Stadt jeden Monat neu auf den Markt kommen. Die städtischen Wohnungen sind wöchentlich im «Tagblatt der Stadt Zürich» ausgeschrieben. Der Vermietungsprozess läuft online über den Service E-Vermietung. Es gibt keine Wartelisten.
Tipp: Versuchen Sie gezielt mithilfe offizieller Statistiken herauszufinden, in welchen Stadtkreisen beziehungsweise Quartieren in Ihrer Traumdestination besonders viele Wohnungen frei sind, und fokussieren Sie sich bei Ihrer Suche darauf. So standen Anfang Juni zum Beispiel im Zürcher Kreis 2 (Wollishofen, Leimbach, Enge) 40 Wohnungen leer. Zum Vergleich: Im Kreis 1 (Rathaus, Hochschulen, Lindenhof, City) waren es gerade einmal 7 Wohnungen. Günstigere Objekte gibt es vor allem in den Quartieren Leimbach, Schwamendingen, Affoltern und Seebach. Leerwohnungsstatistiken veröffentlichen auch viele andere Städte und Gemeinden wie zum Beispiel Basel oder Bern.
Bewerbungsdossier bereithalten
Wer als Mietpartei von einem Sanierungsprojekt oder einem möglichen Immobilienverkauf Wind bekommt, sollte keine Zeit verlieren und sofort mit der Immobiliensuche beginnen, um bei einer allfälligen Kündigung Optionen zu haben.
Es gilt zudem, die Hausaufgaben zu machen: Wer mieten oder kaufen will, sollte ein aktuelles und professionell gestaltetes Bewerbungsdossier vorweisen können, um in der Masse von Bewerbungen herauszustechen und Vermieterinnen und Vermieter zu überzeugen. Halten Sie Unterlagen wie Arbeitsvertrag, Lohnabrechnungen und Referenzen des Arbeitgebers und des derzeitigen Vermieters bereit, um bei Interesse sofort eine Bewerbung einreichen zu können.
Ein aktueller Betreibungsauszug ist ein unentbehrlicher Bestandteil bei der Wohnungssuche. Ein persönliches Motivationsschreiben zusammen mit Selbstbeschrieb inklusive Foto und Kurzlebenslauf kann Wunder bewirken. Walter Angst vom Mieterinnen- und Mieterverband sagt: «Wenn man sich bei einem privaten Vermieter meldet, sollte man sehr offen sein. Ein Kind zu haben, das ein Instrument spielt, muss kein Nachteil sein. Auch unter Vermietern gibt es Musikliebhaber.»
Beim geplanten Kauf von Wohneigentum gilt es, seine Finanzierungsmöglichkeiten beziehungsweise das realistische Kaufbudget im Detail zu kennen und zu wissen, wie viel Eigenkapital für einen Immobilienkauf zur Verfügung steht. Kaufparteien sollten im Bild sein über ihre flüssigen Mittel und allfällige Gelder in der beruflichen Vorsorge und der freiwilligen dritten Säule. Das gilt nicht nur für die eigene Person, sondern auch für den Ehe- oder Lebensgefährten.
Tipp: Der letzte Vorsorgeausweis listet in der Regel auf, wie viel Pensionskassengeld für den Kauf von selbst bewohntem Wohneigentum investiert werden darf. Zudem kann es nicht schaden, die Eltern im Voraus für einen allfälligen Erbvorbezug beziehungsweise ein zinsloses Darlehen oder eine Schenkung anzugehen. Attraktive Wohnungen oder Häuser in urbanen Zentren werden meist innert weniger Wochen verkauft. Wer Wochen braucht, um seine Finanzierungsmöglichkeiten zu klären, kommt bei Auktionen meist zu spät. Dasselbe gilt bei Mietobjekten: Wer kein umfassendes Dossier bereithat und erst noch Unterlagen bestellen muss, gehört oft zu den Verlierern.
Netzwerke nutzen und Augen und Ohren offen halten
Tatsache ist auch: Die besten Angebote werden oft unter der Hand an Bekannte, Freunde oder Verwandte vergeben. «In den hochpreisigen Regionen müssen Wohnungssuchende auf ihre privaten Netzwerke setzen. Es gibt nach wie vor eine recht grosse Anzahl privater Vermieterinnen und Vermieter, die nicht auf maximale Rendite setzen. Diese zu finden, ist die Kunst», sagt Angst.
Nutzen Sie auch analoge und digitale Anschlagbretter in Supermärkten oder bei Ihrem Arbeitgeber, um auf Ihre persönliche Wohnungsnot aufmerksam zu machen. Ein klassisches Inserat in einer Zeitung mit einem sympathischen, auffälligen Text kann zudem auch im digitalen Zeitalter Wunder wirken. Erfolgversprechend kann auch sein, Suchinserate in Form von Flyern in die Briefkästen Ihrer Traumimmobilie zu werfen. Prämien für erfolgreiche Wohnungsvermittlungen können einen zusätzlichen Anreiz bieten.
Geben Sie bei Suchinseraten zur Miete zum Beispiel auch an, dass Sie bereit sind, Zusatzaufgaben zu übernehmen, zum Beispiel Gartenarbeiten oder Hauswartung. Wenn Sie sich für Wohneigentum interessieren, sollten Sie Ihren Platzanspruch und Ihren Budgetrahmen bereits im Inserat erwähnen.
Nutzen Sie die Tricks von hartgesottenen Immobilienprofis: Lesen Sie Todesanzeigen und informieren Sie sich im bevorzugten Quartier über bald leerstehende Immobilien von Erbgemeinschaften oder betagten Menschen, die vor dem Eintritt ins Pflege- oder Altersheim stehen. Zügelwagen im Quartier sind Hinweise darauf, dass Wohnungen oder Häuser frei werden. Fragen Sie höflich nach, ob die Immobilie bereits vermietet sei oder verkauft werde.
So finden Sie heraus, wem eine Immobilie gehört
Sie möchten wissen, wem eine Immobilie gehört? Suchen Sie in den teilweise digital zugänglichen Grundbuchämtern nach den Eigentümern einer Parzelle oder Immobilie und schreiben Sie den Eigentümer freundlich an. Seit dem 28. August 2023 ist es im Kanton Zürich möglich, eine elektronische Eigentumsabfrage kostenfrei zu tätigen. Die Grundbuchdaten werden über den GIS-Browser des Kantons Zürich zur Verfügung gestellt (siehe maps.zh.ch). Ein Login ist nicht nötig.
Lesen Sie auch im Amtsblatt des Kantons Zürich sowie im Publikationsorgan der Gemeinde alles über geplante Bauprojekte. So sind Sie früher dran, als wenn bereits die Nachbarschaft mit einer Aussteckung über ein Bauvorhaben visuell mit informiert wird.
Baugerüste und Kräne sind ebenfalls gute, aber relativ späte Anzeichen, dass sich in Ihrem Wunschquartier neue Chancen eröffnen. Ist der Wohnungswechsel nicht dringend, hilft allenfalls auch eine Nachfrage bei der Gemeinde, Wohnbaugenossenschaften oder Stiftungen nach allfälligen Neubauprojekten, um sich frühzeitig als Erstmieter zu bewerben.
Zeichnet sich ein Wohnungswechsel schon längere Zeit im Voraus ab, ist es ratsam, sich bei den Verwaltungen auf eine Warteliste setzen lassen. Genossenschaftswohnungen sind im Schnitt 15 bis 20 Prozent günstiger als normale Mietwohnungen. In Städten wie Zürich ist die Miete teilweise bis zur Hälfte günstiger als auf dem Mietmarkt. Auf www.wbg-schweiz.ch erhalten Sie einen Überblick über die gemeinnützigen Bauträger, die bei Wohnbaugenossenschaften Schweiz Mitglied sind.
Manche Wohnbaugenossenschaften publizieren Wohnungsangebote auf ihrer Website und informieren über Neubauprojekte. Es gibt auch öffentliche Dienste und nicht gewinnorientierte Vereine, die bei der Wohnungssuche helfen. Ein Beispiel: Der Verein Solinetz unterstützt Wohnungssuchende im Kanton Zürich mit Tipps und Tricks für eine erfolgreiche Wohnungssuche.
Nutzen Sie verschiedene Immobilienplattformen
Nutzen Sie zudem Online-Marktplätze und Immobilien-Websites von Maklern, um nach verfügbaren Wohnungen zu suchen. Abonnieren Sie Benachrichtigungen, um über neue Angebote informiert zu werden. Nutzen Sie Plattformen wie Immoscout24 oder Homegate. Hier finden Sie Angebote für Mietwohnungen, Eigentumswohnungen und Häuser in verschiedenen Städten und Regionen. Comparis fasst Immobilienangebote von verschiedenen Anbietern zusammen und bewertet sie auch mit Preis-Leistungs-Noten. Statt nur auf Online-Portalen nach einer Wohnung zu suchen, lohnt es sich oftmals auch, in den sozialen Netzwerken Ausschau zu halten. Häufig werden dort Nachmieter für Mietobjekte gesucht, und die Wohnungen werden von den Verwaltungen erst gar nicht ausgeschrieben.
Lesen Sie den Originalartikel vom 01.10.2023 online auf nzz.ch.
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