Versicherungen für Privatpersonen: Diese Policen sind wirklich sinnvoll

Wenige Versicherungen sind ein Muss und viele optional. Ein Überblick darüber, welche Versicherungen in der Regel unabdingbar sind und wie hoch die Prämienunterschiede bei wichtigen Deckungen ausfallen.

Autor: Bernhard Bircher-Suits
11.10.2022, 05:30 Uhr

Gemäss dem Schweizerischen Versicherungsverband (SVV) hat die Schweizer Versicherungswirtschaft im Jahr 2021 das Prämienvolumen im Nichtlebengeschäft gegenüber dem Vorjahr um 2,7 Prozent gesteigert. Auch bei der freiwilligen Krankenzusatzversicherung gab es ein sattes Plus von 2,5 Prozent. Dazu gehören die Versicherung von Heilungskosten sowie das Krankentaggeld. Ein noch höheres Plus von rund 4 Prozent resultierte in der Feuer-, Elementar- und Schadenversicherung. Der Grund: Die versicherten Werte stiegen an, was sich in einer Zunahme des Prämienvolumens niederschlägt.

Versicherungsverband identifiziert neue Toprisiken

Das steigende Prämienvolumen freut die Branchenvertreter. Aus Kundensicht ist die Zunahme des Prämienvolumens eher mit Fragezeichen behaftet. Denn das oberste Ziel von scharf kalkulierenden Versicherungskunden sollte sein: nur die nötigsten Risiken zum besten Preis zu versichern. Gerade in Zeiten hoher Inflation gilt es auch bei Versicherungspolicen, Sparpotenzial auszuloten. Doch der Schweizer Versicherungsverband hat bereits neue «Toprisiken» identifiziert, die aus seiner Sicht «von der Öffentlichkeit nicht im erforderlichen Ausmass wahrgenommen werden». Dazu zählt der SVV Cyberattacken, Strommangellagen und Erdbeben.

Solche Risiken existieren zweifelsfrei, und bei tatsächlich eintretenden Strommangellagen dürften sich im Winter viele Haushalte fragen, ob zum Beispiel allfällige Schäden am Gefriergut bei Stromausfällen gedeckt sind. Bis anhin gilt: Bei den meisten Versicherungsgesellschaften sind Schäden am Tiefkühlgut wegen eines unbeabsichtigten Ausfalls des Kühlgerätes durch die Hausratversicherung im Rahmen der entsprechenden Versicherungssumme und eines allfälligen Selbstbehalts gedeckt.

Ob diese Regeln auch bei einem absichtlich herbeigeführten Stromunterbuch zur Anwendung kommen werden, wird sich zeigen. Als Tipp bietet sich folgendes Vorgehen an: Kurz überlegen, was Schaden nehmen könnte, wenn es kalt würde in den eigenen vier Wänden, und in der Hausratspolice nachsehen oder bei Bedarf bei der Versicherung nachfragen, welche Schäden effektiv bis zu welcher Summe gedeckt wären.

Hände weg von gemischten Lebensversicherungen

Wer sich kostengünstig und vor allem risikogerecht versichern will, sollte zuerst aber seine ganz individuelle Risikoanalyse machen: Was kann meiner Person, meiner Familie, meiner Wohnung oder den eigenen vier Wänden passieren? Besteht an meinem Wohnort zum Beispiel in der Tat ein erhöhtes Erdbebenrisiko? Würde ein solches Toprisiko zudem die finanzielle Existenz bedrohen? Oder könnte man den Schaden problemlos mit dem Ersparten begleichen?

Als Faustregel gilt: Grosse und folgenschwere Risiken sollten Private wie auch Firmen unbedingt versichern. Bei kleinen Risiken kann man sich die Prämie oft sparen. Ein Kleinrisiko ist zum Beispiel die Versicherung des Reisegepäcks oder des Handy-Displays sowie eine Ski- und Snowboard-Bruchversicherung. Benjamin Manz, Geschäftsleiter des Schweizer Vergleichsportals Moneyland, sagt: «Die wohl schlechteste Entscheidung für eine Versicherung sind häufig gemischte Lebensversicherungen, die ein Risiko wie zum Beispiel einen Todesfall mit Sparen beziehungsweise Investieren kombinieren. Davon ist meistens abzuraten, da diese Versicherungen zu einer echten Kostenfalle werden können. Besser ist es, Risiko und Investieren zu trennen.»

Grosse Wissenslücken bei Finanz- und Versicherungsfragen

Ein Grundproblem im Versicherungsdschungel: Viele Menschen haben bei Finanz- und Versicherungsfragen grosse Wissenslücken und können das individuelle Risiko nur schwer abschätzen. Das zeigt auch eine empirische Untersuchung im Schweizer Versicherungsmarkt der Universität St. Gallen. Gemäss den Autoren bestehen «erhebliche Wissensdefizite bei den Konsumenten». Rund ein Drittel der Bevölkerung «zeigt erhebliche Defizite beim Basisfinanzwissen; zu Versicherungsfragen gibt es noch grössere Defizite». Die Autoren empfehlen Initiativen zur Wissensförderung, mit denen Versicherungslaien Risiken und Versicherungsfragen besser verstehen und fundiertere Entscheidungen treffen können.

Wichtig zu wissen ist: Versicherungen wie die Grundversicherung der Krankenkasse sind in der Schweiz obligatorisch. Zusatzversicherungen sind nett zu haben, aber meist teuer und unnötig. Deutlich preiswerter sind Spitalversicherungen mit flexibler Abteilungswahl (Flex-Versicherung). Sie können eine Alternative zu den teuren Zusatzversicherungen für die halbprivate oder private Spitalabteilung sein. Grundsätzlich gilt bei dieser attraktiven Lösung: Je höher die Kostenbeteiligung durch den Versicherten, desto tiefer ist die Prämie. Doch für eine Flex-Versicherung verlangen die Kassen eine Gesundheitsprüfung. Gut zu wissen: Auch ohne teure Zusatzversicherung kann man in vielen Spitälern für ein Einzel- oder Doppelzimmer aus dem eigenen Portemonnaie bezahlen (Upgrade).

Eine Privathaftpflicht gehört zur Grundausstattung

Eine Privathaftpflicht ist hingegen sehr empfehlenswert. Sie deckt Schäden, die Versicherte Dritten zufügen. Sie ist grundsätzlich freiwillig, für Hundehalterinnen und Hundehalter in den meisten Kantonen aber obligatorisch. Lebensversicherungen sind hingegen freiwillig. Eine reine Risiko-Kapital-Lebensversicherung kann aber sinnvoll sein, wenn zum Beispiel eine junge Familie und angehende Wohneigentümer die Risiken Invalidität und Tod privat versichern möchten.

Dazu sollte man vorher die Frage klären: Wie viel Geld würde der überlebende Partner von der Pensionskasse, der AHV/IV oder der Unfallversicherung erhalten? Deckt der Betrag den Lebensstandard nicht, sollte man den Abschluss einer reinen Risikopolice prüfen. Risiko-Lebensversicherungen sichern Tod und Invalidität ab – entweder einzeln oder in Kombination. Mit den bisher erwähnten Tipps haben Versicherte eine erste Grundlage für eine Analyse ihres bestehenden Versicherungsdossiers.

Haushalte in der Schweiz gelten als eher über- denn unterversichert. Von Überversicherung sprechen Versicherungsfachleute, wenn die versicherte Schadenssumme zu hoch als effektiv nötig angesetzt wurde. Oft sind Versicherte schlicht auch zwei Mal für dasselbe Risiko versichert. Sogar die Versicherung Allianz hält auf ihrer eigenen Website fest: «Häufig zahlen wir für dasselbe Risiko zwei Versicherungen, ohne es zu wissen.» Ein Beispiel: Tickets für Veranstaltungen sind unter Umständen bereits in der Reiseversicherung gedeckt. Und wer zusammen im selben Haushalt wohnt, braucht in der Regel nur eine Haushaltversicherung und nicht zwei.

Was viele auch nicht beachten: Angestellte sind in der Schweiz obligatorisch gegen die finanziellen Folgen von Berufs- und Freizeitunfällen versichert – vorausgesetzt, sie arbeiten mindestens acht Stunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber. In diesem Fall kann man auf die zusätzliche Unfalldeckung in der Krankenkasse verzichten.

Vergleich von Privathaftpflicht- und Hausratsversicherungen

Doch wie hoch sind die Prämien für die wichtigsten Deckungen wie zum Beispiel eine Privathaftpflicht- oder eine Hausratsversicherung effektiv? Vor jedem Abschluss einer Versicherung sollte ein Prämienvergleich stehen. Der Konkurrenzkampf unter den Gesellschaften hat zur Folge, dass für praktisch gleichwertige Versicherungslösungen bis zur Hälfte der Prämie gespart werden kann – und zwar Jahr für Jahr. Das finden Versicherte aber nur heraus, wenn sie mehrere Offerten einholen.

Eine Privathaftpflichtversicherung kann für wenig Geld vor dem finanziellen Ruin schützen. Sie ist deshalb sehr empfehlenswert. Ein Kostenvergleich für einen 40-jährigen Mann mit Wohnsitz in Zürich zeigt, dass dieser bei manchen Versicherern doppelt so viel zahlt wie bei anderen. Auch bei der Hausratsversicherung zeigen sich enorme Preisunterschiede. Und nicht vergessen: Man sollte beim Versicherungsabschluss auf einer einjährigen Laufzeit bestehen. So ist man flexibel, falls man später doch noch ein besseres Angebot findet und rasch wieder aussteigen möchte.

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